USA, Neuseeland, 2009
Kinostart: 10.09.2009

Alive in Joburg

Als vor zwanzig Jahren ein gewaltiges Raumschiff über Johannesburg auftauchte, war die Aufregung weltweit enorm. Nicht minder groß war die Ernüchterung, als nach Ausbleiben jeglicher Kontaktaufnahme seitens der Besucher ein Team entsendet wurde, sich das Innere des UFOs anzusehen. Die fremden Wesen entpuppten sich als hässliche, ausgemergelte und sozial unterentwickelte Nutznießer ohne Führung, die selbst kaum fähig schienen, ihre technischen Errungenschaften zu nutzen. Heute leben gut 1,8 Millionen Außerirdische in einem gigantischen Slum, direkt unterhalb ihres einstigen Mutterschiffs. Verbrechen, Kriminalität und Tod sind an der Tagesordnung. Da die aufgestaute Frustration und Furcht in der menschlichen Bevölkerung zu eskalieren drohen, sollen die unerwünschten Schmarotzer nun in ein neues Lager außerhalb der Stadt umgesiedelt werden. Als der leitende Beamte Wikus Van De Merwe zu Beginn der Aktion mit einer fremdartigen Substanz in Berührung kommt, wird eine Kette von Ereignissen in Gang gesetzt, die das Schicksal der gesamten Welt verändern kann.

Das Dilemma vieler Blockbuster lässt sich mit drei Worten beschreiben: »style over substance«. District 9 bildet hier - streng genommen - keine Ausnahme. Die eigentliche Handlung nach Einführung der Ausgangssituation ist denkbar einfach, ja geradezu banal, die Inszenierung aber dermaßen gekonnt und effektgeladen, das selbst die offensichtlich manipulative Erzählweise (die Darstellung der Aliens ändert sich im Verlauf des Film massiv und schreckt auch vor der Verwendung von Kindern als Sympathieträgern nicht zurück) nicht wesentlich stört.
District 9 profitiert außerdem von einer Vielzahl gewitzter Details, wie zum Beispiel die Gestaltung des Protagonisten, der mit seiner naiven Offenheit auf der einen und seiner krassen Voreingenommenheit auf der anderen Seite weit abseits des von großem Effektkino gewohnten Charakterspektrums rangiert, trotzdem aber sympathisch wirkt. Gefördert wird dieser Eindruck durch die semi-dokumentarische Aufmachung des Films, die mit harten, klugen Schnitten gekonnt den Kitsch und die Klischees umschifft, unter denen so viele hochbudgetierte Filme leiden. Dafür gilt es zwar, Wackelkamera und eindimensionale Nebenfiguren in Kauf zu nehmen, der Gewinn an gefühlter Authentizität macht diese Ärgernisse aber allemal wett. Dass die beachtlichen Effekte nie zum Selbstzweck eingesetzt werden, ist District 9 nicht minder hoch anzurechnen.

Eine der klügsten Entscheidungen von Regisseur und Drehbuchautor Neill Blomkamp war jedoch, sich nicht sklavisch an die Vorgaben der gewählten Form zu halten. So werden bald und in zunehmendem Maße Szenen eingestreut, die offenkundig nicht von einem Kamerateam gefilmt wurden, was zwar gewissermaßen das Doku-Konzept über den Haufen wirft, der Entfaltung der Handlung aber notwendige Freiheiten einräumt. Auch wird die Wackelkamera weniger exzessiv eingesetzt als beispielsweise bei Cloverfield, was schon allein angesichts der Notwendigkeit, den Sprechtext der Außerirdischen als Untertitel zu lesen, begrüßt werden muss.

Auch wenn der Hype, der in den Staaten für einen Überraschungserfolg und hierzulande für einen vorgezogenen Kinostart sorgte, nicht voll gerechtfertigt sein mag: District 9 ist zweifellos ein Ausnahmefilm, der gewaltig von seiner Prämisse profitiert und mit einer Verschmelzung futuristischer Action und authentisch wirkender Bilder mitzureißen weiß. Dass solche Effekte mit einem vergleichsweise geringen Budget erreicht werden konnte, ist ohne Frage beachtlich. Angesichts der simplen Handlung ist das Ergebnis vielleicht nicht überragend, in jedem Fall aber überzeugend. Unterhaltung erster Klasse, die der anspruchsvolleren Science Fiction als Filmgenre hoffentlich wieder etwas auf die Beine hilft.

Tom Maurer