Deutschland, 2008
Kinostart: 13.03.2008
Gefährliche Brandung
Der unorthodoxe Geschichtslehrer Reiner Wenger hat auf die Frage, wie der Nationalsozialismus in Deutschland Einzug halten konnte, keine Antwort und beginnt mit seinen Schülern ein Experiment: Um den schleichenden Einzug eines totalitären Regimes am eigenen Leib erfahren zu können, gründen sie die Bewegung “Die Welle”, deren Mitglieder ihrem Anführer Wenger bedingungslos zu folgen haben. Mit der Uniformität, Disziplin und dem unbedingten Gehorsam kommt ein neues Gemeinschaftsgefühl, das die Cliquen aufsprengt und Außenseiter integriert. An sich also eine runde Sache, doch dann entwickelt “Die Welle” eine gefährliche Eigendynamik.
Generationen von Schülern in aller Welt durften sie über sich ergehen lassen: Den Roman “Die Welle” von Morton Rue oder die gleichnamige Us-Fernsehadaption aus den Achtzigern, die sich an “wahren Begebenheiten” an einer kalifornischen Highschool orientieren. Gerade an deutschen Schulen scheint das plakative Lehrstück über Totalitarismus die Leerstelle füllen zu müssen, die der Geschichtsunterricht zwischen Reichstagsbrand und Wiederbewaffnung klaffen lässt. Bei der Neuaufbereitung des Stoffes in diese Lücke zu stoßen und die Handlung an ein deutsches Gymnasium zu verlegen, in dem die Schüler zwar die letzten Reichspräsidenten der Weimarer Republik runterbeten können, vom Wesen des Faschismus aber keine Ahnung haben, war eine der guten Ideen der Macher.
Eine weitere war es, Jürgen Vogel in der Hauptrolle zu besetzen. Sein verbeamteter Anarcho ist auf der einen Seite naiv und engagiert genug, das Experiment in Gang zu setzen, und besitzt zugleich das Charisma, seine Schüler beeinflussen zu können. Überhaupt sind die Rollen größtenteils auf den Punkt besetzt. Bei den Schülern, wo es hauptsächlich darum geht, die verschiedenen Cliquen abzubilden, die auf einmal so etwas wie Zusammenhalt untereinander endecken, sticht vor allem Frederick Lau hervor, dessen Figur sich der “Welle” mit Leib und Seele verschreibt, weil sie ihn zum ersten Mal in seinem Leben Zusammengehörigkeit erfahren lässt.
Die beklemmende Atmosphäre des thematisch ähnlich gelagerten Das Experiment kommt jedoch nie auf, die menschlichen Abgründe werden nicht ausgelotet, sondern bezeichnet. Und das Ende zeigt schließlich einmal mehr, dass gut immer noch das Gegenteil von gut gemeint ist.
Dennoch stellt die neue deutsche Welle auf jeden Fall einen Quantensprung gegenüber der alten Version dar, und wird noch viele, viele Generationen von Schülern davor bewahren, Nazis zu werden.
Sven Ole ‘Leisure Lorence’ Lorenzen