Deutschland, Spanien, 2006
Kinostart: 14.09.2006
Paris im Jahr 1738: Jean-Baptiste Grenouille (Ben Wishaw) erblickt im Abfall des Pariser Fischmarktes das Licht der Welt. Nachdem er seine Kindheit in der unmenschlichen Massenhaltung des Findelhauses von Madama Gaillard (Sian Thomas) verbringt, muss er als Jugendlicher die mörderischen Arbeitsbedingungen einer Gerberei über sich ergehen lassen. Doch der zum jungen Mann herangewachsene Grenouille strebt nach mehr: Mit seinem übermenschlichen Geruchssinn dürstet es ihn immerzu nach neuen und feineren Düften. Die Herstellung und Mischung selbiger soll ihm der Parfumeur Baldini (Dustin Hoffman) beibringen. Dieser erkennt die unglaublichen Fähigkeiten seines Schützlings und bringt ihm - nicht zuletzt wegen der beträchtlichen Umsatzsteigerung durch dessen geniale Kreationen - bereitwillig alles Wissenswerte über das kunstfertige Handwerk bei. Nach der folgenschweren Begegnung mit einem lieblichen jungen Mirabellen-Mädchen (Karoline Herfurth) ist Grenouille von der Idee besessen, menschliches Aroma zu konservieren. Die mit den neuesten Gerätschaften ausgestattete Parfummetropole Grasse bietet ihm die Möglichkeit, seinem Ziel einen Schritt näher zu kommen…
Bereits 1986, ein Jahr nach dem Erscheinen des mittlerweile in 45 Weltsprachen übersetzten Kultromans von Patrick Süskind, fragte Starproduzent Bernd Eichinger bei dem befreundeten Autor wegen der Verfilmungsrechte an. Erst im Jahr 2000 liess dieser sich erweichen, woraufhin Tom Tykwer (Lola rennt, Heaven) als Regisseur gewonnen werden konnte und das ehrgeizige Filmprojekt endlich in die Gänge kam. Für das Drehbuch holte sich das Duo noch Andrew Berkin mit an Bord, der bereits an der gelungenen Leinwandadaption von Der Name der Rose mitschrieb. Nach langer Suche engagierte man den britischen Newcomer Ben Wishaw, der zu diesem Zeitpunkt auf der Bühne des Old Vic Theatres in London zu sehen war, für den schwierigen Hauptpart. Außerdem konnten noch nahmhafte internationale Schauspieler wie Dustin Hoffman und Alan Rickman für tragende Nebenrollen verpflichtet werden. Doch war nicht zuletzt die misslungene Kinoversion von The Da Vinci Code - Sakrileg ein Beweis dafür, dass erfolgreiche Bücher trotz namhafter Beteiligung auf der Leinwand noch lange nicht funktionieren müssen.
Das Sprichwort “Was lange währt, wird endlich gut.” könnte im Zusammenhang mit der vorliegenden Umsetzung jedoch zum Glück kaum treffender sein. Tom Tykwers fesselnde Inszenierung geriet außerordentlich stimmig und wird Fans des Buches - nicht zuletzt wegen der werkgetreuen Adaption - wie auch unvorbelastete Kinogänger gleichermaßen zufriedenstellen. Die Kameraarbeit von Frank Griebe (Nva), gepaart mit dem famosen orchestralen Score, komponiert von Tykwer mit den befreundeten Musikern Johnny Klimek und Reinhold Heil und eingespielt von den Berliner Philharmonikern, vermag die Welt der Gerüche mit einer Vielzahl von Gänsehautmomenten gekonnt auf die Leinwand zu transportieren. Die oftmals gewählten Nahaufnahmen, die jede Schweißperle und Hautpore einfangen, die an Gemälde erinnernden, prächtigen Großaufnahmen sowie das überaus geschickte Spiel mit Licht und Schatten machen die Verfilmung zu einem wahren Augenschmaus. Zusätzlich erweist sich der Einsatz eines Erzählers, in der deutschen Fassung Otto Sander, als doppelt geschickt: Zum einen wird man dadurch einem wichtigen atmosphärischen Element des Buches gerecht, zum anderen bleiben dem Zuseher langwierige Handlungsübergänge erspart.
Darüber hinaus präsentiert sich das Ensemble in hervorragender Spiellaune. Ben Wishaw überzeugt als omnipräsente Hauptfigur und schafft es ohne Probleme, den Film auf seinen schmächtigen Schultern zu tragen. Durch sein körperbetontes Spiel gelingt es dem Newcomer die in der Romanvorlage immer wieder erwähnte Mischung aus Naivität, Bedrohlichkeit und Wahnsinn glaubhaft darzustellen. Dustin Hoffman hatte an dem Part des abgetakelten Baldini sichtlich Spaß, Alan Rickman wirkt hingegen ein wenig blass. Die erst sechzehn Jahre alte, bezaubernde Rachel Hurd-Wood meistert ihre Rolle als begehrenswertestes Opfer des verrückten Duftfetischisten mit Bravour und kommt der Buchfigur verblüffend nahe. Kino-Deutschland ist mit Jessica Schwarz als Prostituierte und Corinna Harfouch als kurzzeitige Chefin Grenouilles vertreten - erstere geizt nicht mit ihren Reizen, letztere agiert unauffällig.
Fazit: Regisseur Tom Tykwer hat es mit seinem starken Team geschafft, den als unverfilmbar geltenden Bucherfolg authentisch, spannend und visuell beeindruckend auf Zelluloid zu bannen. Fans des Buches und solchen die es werden wollen, sei der Gang ins Kino unbedingt ans Herz gelegt.
Michael “Eminence” Reisner