DK, 2006
Start: Kinostart: 21.12.2006
Aschenputtel wird Prinzessin, Streberin wird heiße Braut, Callgirl wird Lady, das hässliche Entlein ein prächtiger Schwan. Und Das hässliche Entlein & ich wird vom stinknormalen Kücken lediglich zum ansehnlichen Erpel. Aber immerhin!
Ratte Ratso (gesprochen von Rick Kavanian) lebt in den dunklen Winkeln der Stadt. Seine Zirkusshow läuft eher schlecht als recht, und dann wird er auch noch von einer grobschlächtigen Rattenbande verfolgt - Zeit, zu gehen. Immerhin hat er ein Ziel: Vetter Ernies Jahrmarkt, wo er auf das große Publikum hoffen darf. Leider bleibt ihm die Gang um Rattendame Phyllis (gesprochen von Gaby Köster) auf den Versen, so dass er - mit einem unterwegs aufgelesenen Ei - erstmal im Entengehege landet.
Um dort nicht als Eierdieb zu gelten, erklärt er sich vor den aufgebrachten Enten zum Vater. Nun, er hat nicht damit gerechnet, dass sein Adoptivsohn (gesprochen von Wilson Gonzales Ochsenknecht) das hässlichste Entlein der Welt ist! Grau und völlig deformiert, mit kleinem Schnabel und kurzen Flügeln, was bleibt Ratso da, ganz der Vater, anderes übrig, als es “Ugly” zu nennen? Und es als neue Attraktion mit zum Jahrmarkt zu nehmen, wenn ihm denn nur die Flucht aus dem ausbruchssicheren Gehege gelingt? Sie gelingt freilich, doch unterwegs werden die beiden Helden nicht nur von Phyllis und ihren Häschern, sondern auch vom Winter, Füchsen und den Plagen des Erwachsenwerdens überrascht. Gut, dass Gänsemädchen Jessie, Vetter Ernie und viele andere zu den beiden halten. Und auch in Ugly steckt mehr, als das abstoßende Äußere vermuten lässt…
Bei den Dänen von “A. Film” lag es vielleicht auf der Hand, sich irgendwann einmal mit den Märchen Andersens auseinanderzusetzen. Das hässliche Entlein bot der Animationswerkstatt, die im letzten Jahr mit Terkel in Trouble vor allem in der Heimat einen kommerziellen Riesenerfolg feierte, nun genug Stoff, um daraus eine mild ironische, moderne Story zu drechseln, die das Motiv munter weiterspinnt und den Film tatsächlich sehr rund laufen lässt. Mit dem Perspektivwechsel vom Entlein Ugly hin zur Ratte Ratso hebt man sich deutlich vom erwarteten Kinderfilm mit pädagogischer Botschaft ab.
Technisch spielen die Nordeuropäer leider in einer ganz anderen Liga als die Us-amerikanische Konkurrenz. Trotz der liebevoll gestalteten Charaktere, die witzig und flüssig animiert wurden, wirkt insbesondere die Umgebung bisweilen eher flach und unkreativ. Einzig kommt A. Film der Verdienst zu, die grüne nordische Provinz mit sanft geschwungenen Hügeln, weiten Wiesen, Hünengräbern und Windparks erstmals in einen Cg-Film einzupassen. Eine schöne Abwechslung!
Leider aber verpasst der Film sein Publikum. Die kleinsten Zuschauer, die sich über die Verfolgungsjagd und die zahlreichen Slapstick-Sequenzen der ersten Filmhälfte amüsieren werden, können dann den herrlichen Pubertäts-Gags, den Teenie-Sorgen und Nöten des Jugendlichen Ugly und seines geplagten Ziehvaters mangels eigener Erfahrung vermutlich eher wenig abgewinnen. Für die Erwachsenen entfaltet der Film hingegen nicht ausreichend schwarzen Humor und Tiefgang. Das Kult-Potenzial, das gerade in der Animations-Sparte ausschlaggebend ist, fehlt hier völlig. Und ob sich pubertierende Jugendliche, die sich sicher selbst am Besten wiedererkennen können, zu Weihnachten ausgerechnet eine Märchen-Verfilmung antun werden, sei dahingestellt.
Bleibt als Fazit: Ein stimmiger, unerwartet unterhaltsamer Film mit witzigen Momenten, leider ohne rechten Biss und Rattenschärfe an der richtigen Stelle.
Steffen Greiner