USA, 2006
Kinostart: 06.07.2006

Kann Liebe Raum und Zeit überwinden?, fragt der Untertitel zum Liebesfilm Das Haus Am See. Kate Foster (Sandra Bullock) und Alex Wyler (Keanu Reeves) müssen es jedenfalls versuchen. Denn die vereinsamte, gestresste Ärztin Kate ist Architektensohn und Traummann Alex Jahre voraus. Nicht metaphorisch, sondern tatsächlich.
Als Kate ihr bisheriges Heim, ein malerisches, am Seeufer gelegenes, architektonisch anspruchsvolles Haus aus Glas verlässt, um für einen neuen Job nach Chicago zu ziehen, hinterlässt sie ihrem Nachmieter einen Brief: Post nachsenden, die Pfotenspuren auf dem Steg bitte entschuldigen, das Übliche. Umso verwirrter ist Kate über die Antwort, die sie bei einem Ausflug zum alten Zuhause im Briefkasten findet, ist sie doch auf das Jahr 2004 datiert - Alex, der Absender, und Kate leben zwei Jahre voneinander getrennt in unterschiedlichen Gegenwarten.
Eine problematische Grundkonstellation, verlieben sich die Suchenden doch allzu schnell ineinander. Nachrichten werden über den Briefkasten getauscht, die merkwürdige Begebenheit akzeptiert. Bald schon forschen sie nach Möglichkeiten, sich doch einmal zu treffen, ahnend, dass damit ungute Geister beschworen werden - das Schicksal herauszufordern, kann gefährlich werden…

Die Geschichte mag absurd klingen, und allzu schnell ist man dem Logikfehler auf der Spur - wo verrät das Drehbuch seine Lücke? Wo wird das Spiel mit der Zeit at absurdum geführt? - Diese Gedanken sollte man sich besser für die Diskussion danach aufheben, zumal das Haus Am See seine innere Logik erstaunlich gut aufrechterhält. Dass keine Erklärungsversuche für die Situation gegeben werden, ist Gold wert.
Gold wert für die Produzenten ist wohl auch der Casting-Coup: Erstmals seit über zehn Jahren stehen Sandra Bullock und Keanu Reeves wieder als Pärchen vor der Kamera. Zwei Schauspieler also, deren Filmographie zwar vor Perlen platzt, die sich aber nie durch wirklich außergewöhnliche darstellerische Leistung hervorgetan haben. Bevor jemand fragt: Auch Das Haus Am See ändert daran nichts.

Die ansprechendste Entscheidung war es jedoch, für ein solches Projekt einen Hollywood-fernen Regisseur wie den Argentinier Alejandro Agresti zu wählen, dessen Das letzte Kino der Welt zu den schönsten Filmen über die Faszination Kino zählt. Die Gefahr, eine platte Romanze an den Start zu bringen, wurde so erfolgreich abgewendet. Agresti wählt eine sehr ruhige, bisweilen an Lost In Tanslation geschulte Blickweise auf die Liebenden und auch die Kulisse Chicagos, deren architektonische Schönheit immer wieder mit beeindruckenden Aufnahmen ins Zentrum rückt.
Zwar herrscht auch hier nicht immer die leise Poesie. Am beeindruckendsten sind aber sicher die Szenen, in denen die ganze Tragweite der Distanz zwischen Kate und Alex deutlich wird, ihre Einsamkeit in der jeweiligen Gegenwart und gleichzeitig das von beiden tief empfundene Zusammensein. Der gemeinsame” Spaziergang durch Chicago gehört so zu den ergreifendsten Episoden, wie auch die die merkwürdig traumhaften Zwiegespräche auf einer Parkbank im Herbst. Angenehm kitschfrei ist das alles, und unpathetisch noch dazu.

So könnte Das Haus Am See sicher zu den besseren klassischen Romanzen der letzten Jahre gehören. Wenn da nicht dieses Ende vieles zerstören würde, was die zurückhaltende Atmosphäre vorher aufgebaut hat, nämlich Glaubwürdigkeit, Logik, und das Gefühl, einen mutigen, ein Stückchen weit Off-Mainstream stehenden Film zu sehen. Denn statt eines wirklich packenden, schwierig zu verarbeitenden Schlusses ging man den Weg des geringsten Widerstandes und spülte noch einmal weich, was das Zeug hält.
Schade!

Steffen Greiner