Als der amerikanische Fernsehsender Fox letzte Woche die aktuelle Folge der Simpsons ausstrahlte, hatte sie einen ganz besonderen Vorspann, den der britische Graffiti-Künstler Banksy gestaltet hatte. Er zeigte, wie die koreanischen Animatoren und Produzenten der Merchandise-Artikel für die Simpsons in arbeitslagerähnlichen Bedingungen ihrer Beschäftigung nachgehen und dabei bedrohte Tierarten wie Pandabären und Einhörner ausgebeutet werden. Diese satirische Zuspitzung war vielleicht nicht die beste von Banksys Ideen, aber dafür lässt sich an ihr gut illustrieren, welchen Spagat der Künstler zwischen Kunst und Kommerz versucht. Er erreicht mit seiner gesellschaftskritischen Kunst viele Menschen, steckt aber auf der anderen Seite nach wie vor im kapitalistischen System und verkauft seine Werke für Millionenbeträge.
Sein erster Spielfilm ist eine selbstironische Darstellung dieses Widerspruchs. Er erzählt die Geschichte des verhinderten Filmemachers Thiery Guetta, der als äußerst mediokrer Street-Art-Künstler Mr. Brainwash seine 15 Minuten Ruhm zu einem großen Reibach ausnutzt. Guettas Karriere beginnt, als er die waghalsigen Nacht-und-Nebel-Aktionen der Szene dokumentiert. Die Künstler sind zunächst skeptisch, bei ihrer illegalen Eroberung des öffentlichen Raumes Beweismaterial gegen sich selbst sammeln zu lassen, können sich aber zunehmend damit anfreunden, dass ihre Heldentaten und ihre oft ephemeren Kunstwerke auf Zelluloid gebannt werden. Sogar den großen Banksy darf Guetta bei seinen großen Fischzügen begleiten. Bei einer Aktion in Disneyland, wo Banksy eine Guantanamo-Puppe an einem Fahrgeschäft plaziert, wird der Filmer verhaftet und schweigt für seinen Freund. Diese bedingungslose Loyalität stellt Banksy vor ein großes Problem, als er erkennt, dass Thierrys großer Film über die Szene eine einzige Katastrophe ist. Eher um ihn abzuspeisen, rät ihm Banksy, sich doch in Kunst zu versuchen. Gesagt, getan: Mit Hilfe billiger Arbeitskräfte erschafft der als Mr. Brainwash Wiedergeborene innerhalb weniger Wochen ein durch und durch zusammengeklautes Werk, das sich bei einer größenwahnsinnigen Ausstellung verkauft wie geschnitten Brot. Banksy resümiert seine Hilfestellung bei diesem Ausverkauf einer einstmals subversiven Szene frustriert: “Früher ermutigte ich immer alle Menschen, sich in der Kunst zu versuchen. Das tue ich nicht mehr.” Der Kunstphilosph Arthur Danto verortete das von Hegel postulierte “Ende der Kunst” bei Andy Warhol und Marcel Duchamp: In dem Moment, wo im Museum Kellogspackungen stehen, die sich von den Kartons im Laden alleine dadurch unterscheiden, dass sie eben im Museum stehen, und auch nur deshalb Kunst genannt werden, kann alles Kunst sein und jeder ein Künstler. Eine Antwort der Postmoderne auf dieses Ende der Kunst ist, sie aus dem Museum wieder zu befreien, zu politisieren und in den öffentlichen Raum zu tragen.
Shepard “Obey” Fairey, der mit seinem “Hope”-Poster der Obama Kampagne zu einem wirkungsmächtigen Symbol verhalf, und Banksy, der mit Graffiti auf dem israelisch-palästinensischen Grenzwall politische Akzente setzte, zeigen in Exit trough the Gift Shop offen ihre Angst vor einem Ausverkauf dieser Szene, dem sie längst selbst anheimgefallen sind. Einen ehrlicheren und unterhaltsameren Film über Kunst wird man dieses Jahr wohl kaum zu sehen bekommen.
Sven Ole Leisure Lorence Lorenzen