USA, 2010
Kinostart: 25.11.2010

The Virus

Es ist wie eine ernsthafte Version von Stiefbrüder. Zwei Männer, die sich ihrem Alter nach höchst unangemessen aufführen und lernen müssen, auf eigenen Beinen zu stehen.
John C. Reilly spielt einen liebenswerten Loser, der völlig unverdienterweise den großen Jackpot trifft: Eine reizende, charmante Frau interessiert sich für ihn. Allerdings hat er mit ihrem erwachsenen Sohn Cyrus, der immer noch bei ihr wohnt, einen ernsthaften Konkurrenten um ihre Liebe.
Nach einer Phase der Annäherung bricht ein offener Kampf zwischen den beiden aus, der droht, das Lebensglück aller drei zu zerstören.

Das große Plus des Films sind klarerweise die Schauspieler. John C. Reillys Figur wirft sich mit einer solch furchtlosen Verletzlichkeit in die Beziehung, dass man ihm sofort seine irrationalen Handlungsweisen abnimmt und ihn dennoch lieb gewinnt. Jonah Hill gibt dem titelgebenden Cyrus eine eigene Note zwischen dem klassischen Muttersöhnchen Norman Bates und einer empfindsamen Künstlerseele, und man ist gespannt, welche Seite letztendlich die Oberhand gewinnt.

Den schwersten Job aber hält das Drehbuch für Marissa Tomei bereit, denn ihre Figur ist eine reine Wunschprojektion, sowohl als Geliebte wie als Mutter. Es ist zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar, wieso sie sich mit jemandem einlässt, den sie beim öffentlichen Urinieren kennen lernt oder sich derart blind von ihrem Sohn manipulieren lässt. Dass die Figur dennoch liebenswert und halbwegs glaubwürdig bleibt, ist Tomeis Verdienst.

Der Film verzichtet weitgehend auf aufgesetzte Eskalation und Schockmomente und konzentriert sich auf Charakterarbeit. Dementsprechend sind Spannung und Humor sehr weit heruntergefahren. Es gibt auch keinen Plottwist, der dem Ganzen eine künstliche Pointe verleiht. Es geht einfach um drei Menschen, die nicht dem Idealbild eines produktiven, gesunden Bürgers entsprechen und es sich in dieser Außenseiterposition recht behaglich einrichten.
Das mag für das große Publikum ein wenig zu langweilig sein und für das Arthousekino wiederum ein bisschen zu glatt, aber es muss ja auch eine Graustufe geben dürfen.

Sven Ole Leisure Lorence’ Lorenzen