Guerillas im Nebel

Am 08. Januar 1959 besetzte Fidel Castro die kubanische Hauptstadt Havanna und führte damit die Revolution zum Sieg. Nach der Schlacht um Santa Clara kurze Zeit vorher war Diktator Batista geflohen und hatte den Rebellen das Feld überlassen.

Nichts davon erzählt Steven Soderberghs Film Che. Das zweiteilige, 265-minütige Monstrum spielt zu 99% in den Wäldern von Kuba und Bolivien und zeigt die Revolution als redselige Pfadfinderübung mit Feuerwaffen. Mal bekommt Che Probleme mit seinem Asthma, mal muss Nahrung beschafft werden, mal wird auf irgendwen geschossen, und immer geht es gleich wieder ans Reden und durch den Wald Schleichen. In der ersten Stunde versucht Soderbergh, das Ganze in einen historischen Kontext einzubetten, indem er vorangegangene Planungen und eine spätere Rede vor den Vereinten Nationen dazwischenschneidet. Doch da der Haupthandlungsstrang keiner erkennbaren Progression folgt, entsteht lediglich eine wirre Folge scheinbar zusammenhangloser Dialogszenen. Das Kuddelmuddel wird jedoch aufgelöst und ersetzt durch die nicht enden wollende Rede-und-Schleich-Orgie, bis dann plötzlich Santa Clara erobert ist und es auf den Weg Richtung Havanna geht, woraufhin der erste Nachspann läuft.

Während der Kinozuschauer sechs Wochen lang sein Hinterteil kuriert, fällt Havanna, das Land wird mit Gewalt reformiert, die neue kubanische Regierung nähert sich politisch der UdSsr an, die USA fallen erfolglos in der Schweinebucht ein, Che gerät in Konflikt mit Castro, zieht sich aus der kubanischen Politik zurück und scheitert beim Versuch, im Kongo eine weitere Revolution zu führen (ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich bei der Wikipedia für die Mitarbeit an dieser Filmkritik zu bedanken). Dann geht es nach Bolivien, wo eine weitere Revolution angezettelt wird, und als es wieder Zeit ist, zu reden und durch den Wald zu schleichen, ist Soderbergh auch wieder mit dabei.

Man kann dem Film einiges zu gute halten. Soderbergh war offensichtlich sehr bemüht, seine Hauptfigur nicht zu romantisieren und hielt seine eigene politische Meinung fast vollständig aus dem Film heraus. Dazu liefert Benicio Del Toro eine schöne Vorstellung ab als charismatischer Anführer, der auch dann noch Autorität ausstrahlt, wenn er sich nach Luft schnappend an einen Baum stützt. Und beinharte Che-Fans könnten durchaus Gefallen daran finden, ein paar Stunden mit ihrem Idol durch den Wald zu latschen, denn einen Mangel an gefühlter Authentizität kann man dem Film nicht vorwerfen, zumindest bis zur zweiten Hälfte, wo Soderberghs Amour fou zu Kamerafiltern mit ihm durchgeht.

Eigentlich sollte Terrence Malick Che inszenieren, und man mag sich kaum vorstellen, was für eine poetische Träumerei der Meisterregisseur über den ikonischen Revolutionär gedreht hätte. Soderberghs Film ist ein zähes, unendlich dröges Werk geworden, das alleine durch seine Laufzeit von viereinhalb Stunden (Spanisch mit Untertiteln) die meisten Zuschauer verschrecken wird. Wer sich dennoch ins Kino wagt, erlebt die Agonie der behäbig scheiternden Revolution etwas zu authentisch am eigenen Leib.

Felix Flex” Dencker