USA, 2007
Kinostart: 26.06.2008
Glück in kleinen Dosen
Ein exzentrischer Jüngling wird aus dem sicheren Hort seiner Privatschule in die harte Realität der staatlichen High-School geworfen und muss dort seinen Mann stehen. Vor zehn Jahren verhalf die liebevolle Umsetzung dieser Coming-of-Age-Geschichte in dem Film Rushmore sowohl Regisseur Wes Anderson als auch Hauptdarsteller Jason Schwartzman zum Durchbruch. Nun kommt mit Charlie Bartlett ein Streifen in die Kinos, der eine ganz ähnliche Ausgangssituation und Figurenkonstellation aufweist und somit große Fußstapfen zu füllen hat. Titelheld Charlie hat schon alle privaten Schulen des Landes durch, so dass seiner Mutter keine andere Wahl bleibt, als ihn auf eine öffentliche zu schicken. Um seinem Außenseiterdasein zu entkommen, kurbelt er seine Beliebtheit durch den Handel mit Psychopharmaka an und gerät so nolens volens immer mehr in die Rolle des Schulpsychaters.
In Hinblick auf das Ensemble braucht der Charlie Bartlett den Vergleich zu Rushmore nicht zu scheuen. Insbesondere Anton Yelchin legt als Protagonist eine unwiderstehliche One-Man-Show hin, singt, tanzt und stellt einen Ritalinflash ebenso überzeugend dar wie einen Frauenmonolog mit Kopfstimme. Auch Robert Downey Jr. als Bartletts Schuldirektor, der dessen Medikamentenhandel unterbinden möchte und dabei sein eigenes Bündel an Problemen zu tragen hat, ist dem Film eine ebenso große Bereicherung wie seinerzeit Bill Murray für Rushmore. Hope Davis als entgrenzte Mutter kann ihrer Schauspielvita ebenfalls einen weiteres Schmankerl hinzufügen. Auch Drehbuch und Regie schlagen sich über einen Großteil der Strecke wacker, sind witzig, flott und für etwa zwei Akte rundum gelungen, bis dann der dritte kommt und die Handlung ohne Not in den Leerlauf schaltet. Ein Ally-McBeal-haftes Cameo der kanadischen Band Spiral Beach leitet den Teil des Films ein, wo der bisher komplexe, von schwarzem Humor geprägte Blick auf die Welt plötzlich preisgegeben wird, und tiefgehende Probleme von Theaterdonner übertönt werden, der wiederum von einem allumfassenden Happy End abgelöst wird. Da hätte man Regisseur Jon Poll und Drehbuchautor Gustin Nash mehr Vertrauen in die eigenen Figuren gewünscht und den Mut, auch mal unlösbare Konflikte als ebensolche darzustellen. Nicht umsonst wird in Charlie Bartlett Cat Stevens’ “If you want to sing out, sing out” rauf und runter genudelt, jener Titel aus der wirklich mutigen und makabaren Coming-of-Age-Geschichte Harold und Maude von 1971. So reicht es weder zum Rushmore noch zum Harold und Maude dieses Jahrzehnts aber immerhin zu einem größtenteils amüsanten Kinoerlebnis mit exzellenten Darstellern.
Sven Ole “Leisure Lorence” Lorenzen