USA, 2013
Kinostart: 05.12.2013
Ist ja irre
Die schüchterne Carrie wird in der Schule gehänselt. Auch zuhause bekommt sie keine Liebe, denn die spart sich ihre alleinerziehende Mutter für den Herrgott auf. Als Carrie in die Pubertät kommt und telekinetische Kräfte entwickelt, dreht sie den Spieß um.
Nach dem überraschend amüsanten Remake von The Evil Dead kam für einen kurzen Moment die Hoffnung auf, das ungeliebte Genre der Horror-Remakes könne sich von seiner traurigen Vergangenheit lösen und mit Produktionswerten, oder zumindest einem ordentlichen Ekelfaktor den Weg zu einer gewissen Relevanz bahnen.
Kimberly Peirce’ Carrie macht dem ein Ende.
Der Film kopiert über weite Strecken Brian De Palmas 1976er Erstverfilmung und schafft es somit, sich jeder Existenzberechtigung zu entziehen. Ironischerweise ist es die größte Änderung gegenüber dem Original, die das Remake vollends zum Kentern bringt. Anders als Sissy Spacek wirkt Chloë Moretz nie wie eine unterdrückte graue Maus, der die Hänseleien ernsthaft zusetzen, sondern eher wie ein etwas unterbelichtetes Durchschnittsmädchen, das auf jede Häme heillos überreagiert. So verliert natürlich auch das dramatische Finale jedwede Kraft. Was einst der verzweifelte Befreiungsschlag eines Menschen war, der systematisch zum Äußersten getrieben wurde, wird hier zur genussvoll vollzogenen Racheaktion. Stellt man sich vor, statt Telekinese würde eine Schusswaffe benutzt, wird leicht verständlich, warum sich kein Mitgefühl mit der Täterin einstellen kann.
Nicht einmal Julianne Moore in der Rolle der hyperchristlichen Mutter kann begeistern. Piper Lauries oscarnominierter Auftritt lässt sich nach all den Jahren leicht als übertrieben ansehen, vor allem wenn man nicht im Bible Belt der USA aufgewachsen ist. Doch Moore lässt die Chance für eine subtilere Darstellung ungenutzt. Zwar reißt sie die Augen nicht so weit auf Laurie, doch diesen Bonus verspielt sie, indem sie ihre Tage damit verbringt, den Kopf gegen die Wand zu hauen wie eine magersüchtige Abrissbirne.
Carrie ist eine tragische Fabel über einen Menschen, dem seine Umwelt es unmöglich machte, seinen Platz in der Welt zu finden. In den Händen von Kimberly Peirce wurde daraus eine spannungsfreie Rachegeschichte über unsympathische Figuren, die andere unsympathische Figuren schlecht behandeln.
Felix “Flex” Dencker