USA, 2007
Kinostart: 01.03.2007
Der Außenseiter Jesse (Josh Hutcherson) wird von seinen Mitschülern gehänselt, von seinen Schwestern ausgelacht und von seinem Vater (Robert Patrick) als verträumter Taugenichts abgestempelt. Obendrein ist er in seine Musiklehrerin (Zooey Deschanel) verliebt. Diese deprimierende Existenz scheint ein Stück weit lebenswerter zu werden, als die gleichaltrige Leslie (AnnaSophia Robb) mit ihren Eltern ins Nachbarhaus zieht. Nach schüchternem Auftakt bilden Jesse und Leslie zunehmend ein Außenseiter-Dream-Team, das sich mittags nach der Schule im Wald tummelt und dort schließlich die eigene Phantasie entdeckt.
Um direkt ein Missverständnis aus der Welt zu schaffen: Bei Brücke nach Terabithia handelt es sich nicht einen Narnia-Klon. Selten gab es einen solch fehl leitenden Filmtrailer. Während dieser glauben macht, Jesse und Leslie stolpern durch den Wald und statt des Narnia-Wandschrankes finden sie ein magisches Seil, mit dem sie in ein Wunderland voller exotischer Kreaturen und zu bestehenden Abenteuern schwingen, sieht die filmische Realität von Brücke nach Terabithia gänzlich anders aus:
Die blühende Phantasie der Schriftstellertochter Leslie sorgt dafür, dass der verschlossene Jesse nicht nur seine geheim gehaltene Leidenschaft fürs Malen bewusster auslebt; Die Phantasie eröffnet den beiden eine neue Dimension ihrer Wahrnehmung: Ihr Baumhaus ist nicht einfach ein Baumhaus, sondern gerät zum Schloss. Bäume entpuppen sich als schweigende Riesen, Libellen als Armee eines unterdrückten Volkes und Unheil bringende Gesandte des “Dunklen Meisters” zeigen sich in Gestalt von Eichhörnchen. Hinzu kommen die aufgeklärte Attitüde Leslies, die Hippie-Gesangsstunden der Musiklehrerin, sphärische Tanzeinlagen mit den Eltern beim kreativen Zimmerwand-Streichen sowie Sprüche wie “Close your eyes, but keep your mind wide open”. In ihrer Gesamtheit betrachtet findet man doch deutliche Anspielungen an die “Wunderdroge” Lsd und die dadurch ausgelöste künstlerische Herrlichkeit der 50er und 60er Jahre. Brücke nach Terabithia ist sozusagen ein Drogenfilm für Kinder, sprich: Die Macht der Phantasie ersetzt das Lsd, welche Jesse und Leslie obendrein zum Verarbeiten ihres verbesserungswürdigen Alltagslebens dient.
Visualisiert wurde die Phantasiewelt in den Köpfen der Kinder von Weta Workshop und Weta Digital (Herr der Ringe, King Kong, Narnia), jedoch nehmen die Effekte keine zentrale Position ein, sondern dienen lediglich zur Illustration der Phantasie. Regisseur Gabor Csupo stellt das Seelenleben der beiden Protagonisten den Vordergrund, um das sich Realität und Phantasiewelt arrangieren und einander bedingen und beeinflussen. Hier ist es fast schade, dass Csupos Inszenierung so plakativ und pathetisch ausgefallen ist. Unterstützt von einem Soundtrack, der nicht pompöser hätte sein können und sich in einer groß orchestrierten Ausreizung selbst unbedeutender Szenen manifestiert, zeigt sich überdeutlich: Walden Media ist nach Narnia einmal mehr dem Irrgedanken aufgesessen, großes Gefühlskino schaffe man nur mit entsprechendem Pathos.
Wer sich jedoch an derartigen Inszenierungen wenig stört und die Erwartung verwirft, hier Narnia oder ein ähnliches Fantasy-Abenteuer mit großen Schlachten vorzufinden, dürfte sich von Brücke nach Terabithia dennoch angemessen unterhalten fühlen. Doch wer von seinen Kindern gefragt wird, warum sich Flora und Fauna in halluzinatorische Lebewesen mit Alltagsbezug verwandeln, wird mit der Phantasie als alleinige Rechtfertigung wohl in Erklärungsnotstand geraten.
Christian Simon