Uk/USA, 2006
Der Londoner Stadtteil King’s Cross ist geprägt von Armut und Kriminalität und ist die Heimat tausender Einwanderer. Einer davon ist der 15-jährige Serbe Miro (Rafi Gavron), der mit seiner Mutter Amira (Juliette Binoche) in einfachsten Verhältnissen lebt. Um sich ein etwas schöneres Leben zu ermöglichen, bricht er im Auftrag seines Onkels des Nachts in das Büro des Architekten Will Francis (Jude Law) ein. Dieser ist alles andere als begeistert, als er am nächsten Morgen den Schaden bemerkt, unterbricht der Einbruch doch sein ambitioniertes Projekt, welches King’s Cross zu einem urbanen Paradies umwandeln soll. Nachdem auch der zweite Einbruch von der Polizei nicht aufgeklärt werden kann, unternimmt Will seine eigenen Ermittlungen und versucht selbst, dem Dieb auf die Schliche zu kommen. Eines Abends erwischt er Miro auf frischer Tat, kann ihn jedoch nur bis zur Wohnung seiner Mutter verfolgen, wodurch Will Amira kennen lernt.
In Anthony Minghellas zweitem Film nach einem Originaldrehbuch aus eigener Feder ist diese Begegnung der Dreh- und Angelpunkt eines romantischen Thrillers, der sich mehr für die Zusammenstöße zweier Lebenswelten interessiert, als für das eigentliche Verbrechen. Der im gesicherten Wohlstand lebende Will hat allerdings mit seinen eigenen familiären Problemen zu kämpfen. Seine schwedische Lebensgefährtin Liv (Robin Wright Penn) und ihre 10-jährige Tochter Beatrice (Poppy Rogers) kosten ihn beinahe jede Nacht den Schlaf. Denn Beatrice leidet an unerklärlichen Ticks. Dies entfremdet Will immer mehr seiner Familie, die sich offenbar auch von ihm abzukapseln scheint. Der junge Architekt ist auf der Suche nach Zuneigung und Anerkennung, die er bei Amira zu finden glaubt.
Wie Minghella diese beiden Welten kollidieren lässt, zeugt von Geschick und einem Gespür für Bildästhetik und Atmosphäre. Wills Wohnung wirkt ebenso kühl und erstarrt wie das Hightechbüro mit nicht ganz so stabilem Glasdach, in dem Laptops, Bildschirme und kleine Modellhäuser jeden Anschein von Leben verscheuchen und einer geschäftlichen Atmosphäre weichen. Dagegen taucht Minghella die kleine Zweizimmerwohnung Amiras — sowie andere Lebensräume der serbischen Einwandererbevölkerung — in satte und warme Orangetöne. Doch fällt die Qualität von Breaking and Entering ab, wenn es darum geht, die Geschichte voran zu treiben. Viel zu viele Nebenschauplätze werden angeschnitten und viel zu viele Charaktere eingebaut, um sie bis zum Ende des Films schlicht zu vergessen.
Es kann einem fast leid tun, wenn Martin Freeman - als Wills Assistent Sandy - oder Ray Winstone - als überzogen proletarischer Polizist - in der Inszenierung Minghellas kaum Platz finden. Sie werden Opfer eines übermotivierten Drehbuchs, das viele Konflikte anschneidet aber nicht zu Ende bringt. Statt dramatischer Tiefe offeriert er gewichtige Symbolik, die nicht einmal oberflächlich zu überzeugen vermag. Da sorgt ein jaulender Fuchs im Garten für Unordnung im geordneten Leben des Architekten und soll den letzten Rest Natur in dieser designten Welt symbolisieren, während die geistigen und gesundheitlichen Probleme seiner Tochter Beatrice die Unmöglichkeit einer absoluten Kontrolle darstellen.
Dabei hätte Breaking and Entering genügend Potential gehabt, um abseits dieser Drehbuchmängel zu bestehen. Jude Law liefert mit der nuancierten Darstellung des unsicheren und zum Teil auch gelangweilten Mannes eine seiner besten Leistungen und findet in Juliette Binoche eine Partnerin, die die hart arbeitende und von Zweifeln geprägte Arbeiterin vollkommen natürlich spielt. Doch es sind die vielen Nebenschauplätze und unausgesprochenen Konflikte, die Minghella zum Verhängnis werden. So bleibt ihm am Ende, um seine Geschichte noch einigermaßen geradlinig aufzulösen, nur der Griff in die moralische Mottenkiste. Womit Breaking and Entering gegen Ende beinahe alle Pluspunkte verspielt und den Zuseher mit einem fahlen Nachgeschmack aus dem Saal entlässt.
Patrick Dorner