Originaltitel: Borat: Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan Kinostart: 02.11.2006
Die romantische Explosion auf dem Bauch der Spießbürger
Der durchschnittliche Amerikaner weiß so gut wie nichts über Kasachstan. Darin ähnelt er dem durchschnittlichen Deutschen. Dafür weiß der Deutsche jede Menge über den Durchschnittsamerikaner. Borat verbindet dieses gefährliche Vakuum beim Wissen über Kasachstan mit den reichlich vorhandenen Amerika-Klischees zu einem satirischen Roadmovie.
Borat Sagdiev (Sacha Baron Cohen), der in einem kasachischen Kuhdorf lebt, begibt sich auf die Reise in die USA, um dort - im Auftrag von “kasachisches Ministerium von Information” - eine Dokumentation über Land und Leute zu drehen. Begleitet wird er dabei von seinem “Produzenten” Azamat Agatov (Ken Davitian) - und einem Huhn. Kaum im New Yorker Hotelzimmer angekommen, absorbiert Borat eine Überdosis amerikanischer Popkultur und verliebt sich beim Zappen in Baywatch-Star Pamela “Cj” Anderson. Es gelingt ihm, Azamat zu einer Fahrt nach Kalifornien zu überreden, wo er Cj finden und heiraten will. Borat lernt also fahren, kauft ein klappriges Auto und der satirische Roadmovie nimmt an Fahrt auf.
Natürlich hat Baron Cohens kasachische Kunstfigur auch jede Menge Rassismus, Antisemitismus und Sexismus mit im Gepäck, was immer wieder zu grotesken Konfrontationen führt. Nämlich, wenn Borats amerikanische Gesprächspartner trotz seiner ständigen Obszönitäten verkrampft versuchen, politisch korrekt zu bleiben. Wie die Feministinnen, denen Borat klarmachen will, dass Frauen - wie wissenschaftlich bewiesen - nur kleine Eichhörnchengehirne haben. Und die betroffen, aber ernst antworten: “Nein, das ist falsch!” Oder chauvinistische Collegeboys Borats Verhalten mit ebenso tumben Ansichten spiegeln. Oder ein Südstaatler Borat den Rat gibt, sich den terrorverdächtigen Schnauzbart abzurasieren. Schreiend komisch sind auch Borats ständige Fehlleistungen, etwa wenn er den Amis in einem Rodeostadion viel Erfolg bei ihrem “Terrorkrieg” wünscht - und dann alle jubeln.
Warnung: Wer bei diesem Film an irgendeiner Stelle lacht (und diese Gefahr ist sehr, sehr groß), sollte sich ertappt fühlen: Denn darf man lachen über einen hinterwäldlerischen Kasachen? Darf man lachen darüber, dass die Wohnung eines Menschen gleichzeitig ein Kuhstall ist? Und er einen Hotelfahrstuhl für ein großes Zimmer hält? Na, egal - man tut es jedenfalls! Wer ganz viel Pech hat, muss sogar über Borats und Azamats Judenphobie, über Borats fehlende kulturelle Einsicht in die Funktionsweise einer Toilette oder gar über Azamats unförmiges Hinterteil lachen, das abend- und leinwandfüllend in vollster Pracht dargeboten wird.
Auf der Reise durch Amerika arbeitet Borat Klischee für Klischee ab. Vom obligatorischen Besuch im Waffenladen über die Schwulenparade bis hin zur christlichen Erweckungsfeier. Das ist über weite Strecken grade deshalb komisch, weil die Reaktionen, die Borat in all diesen Situationen hervorruft, erschreckend authentisch wirken. Was zum Teil daran liegt, dass die Situationen wirklich authentisch sind, nicht umsonst wurde Cohen bei den Dreharbeiten in einem Hotel beinahe verhaftet. Andererseits merkt man dem Film an, dass kein wirkliches Drehbuch existierte - weshalb ihm gegen Ende etwas die Puste ausgeht.
Wer Spaß an Baron Cohens anderer Figur Ali G hat - oder den hiesigen Plagiaten - wird auch über Borat lachen können. Jedoch sollte man seine Warnung ernst nehmen: “Ich hoffe ihr seht meine Film, aber bitte sein gewarnt, da es enthält schmutzige Flüche, sinnlose Gewalt und eine Nahaufnahme des Bishkek von einem Mann. Auch war Film sehr kontrovers in meine Land wegen Menge an Antisemitismus - aber schließlich unser Zensor hat entschieden, dass genug davon drin ist und erlaubte Veröffentlichung.”
Heiko “Tico” Titz