Belgien, 2007
Kinostart: 08.05.2008
Nichts war alles was er sagte
Das Internet. Für manche eine Wundertüte, gefüllt mit kostenlosen Pornofilmen, für andere die ersehnte Möglichkeit, sich über Hello-Kitty-Rucksäcke auszutauschen. Für Ben (Greg Timmermans) ist es eine Zuflucht. Ben leidet am Asperger-Syndrom, einer milden Form von Autismus. So mild, dass seine Eltern es für eine gute Idee hielten, ihn in eine “normale” Schule zu stecken, mit dem Ergebnis, dass Ben von seinen Klassenkameraden gequält und gedemütigt wird. Also zieht er sich immer wieder in die fiktive Welt des Online-Spiels Archlord zurück, in der er als Ritter Macht und Ansehen genießt. Hier lernt er auch “Scarlite” kennen, die ihn als einzige zu verstehen scheint. Doch gerade als sich Ben erlaubt, einen Lichtstrahl am Horizont seiner trüben Existenz aufleuchten zu sehen, überschreiten die beiden Schultyrannen Bogaert und Desmet eine Grenze, die nicht ohne Folgen bleiben kann.
Dass sämtliche Klassenkameraden unmenschlich agieren, so dass das debile Pärchen Bogaert und Desmet kriminell werden muss, um sich besonders hervorzutun, spiegelt das große Problem des Films wieder: Er bringt den Puls in Wallung, ist aber viel zu plakativ, um glaubwürdig zu sein. Regisseur und Drehbuchautor Nic Balthazar, der mit dem Film seinen eigenen Roman adaptiert, packt eine derart abstruse Menge an Ungerechtigkeiten in eine einzige Figur, dass diese wie eine wandelnde Parabel auf alles Unrecht in der Welt erscheint und weniger als echter Mensch. Ben X besteht aus 85 Minuten Qual, gefolgt von fünf Minuten Katharsis und Auflösung. Als pädagogischer Zeigefinger funktioniert er ohne Zweifel. Die endlosen Erniedrigungen, die Ben erfährt, sind effektiv in Szene gesetzt, gut gespielt und werden keinen Zuschauer kalt lassen. Insofern sollte es niemanden überraschen, wenn der Film in den nächsten Jahren unzähligen Schulklassen vorgeführt wird, und das sollte er wohl auch. Eine gänzlich andere Frage ist allerdings, wer an der Kinokasse Geld dafür bezahlen soll, sich derart elend zu fühlen. Denn auch die instinktiv befriedigende Pointe zerfällt zu Staub, sobald man darüber nachdenkt. Bis zum Finale wird allzu ausführlich demonstriert, wie die alltäglichsten Dinge Ben überfordern, und plötzlich ersinnt er einen elaborierten Racheplan, das funktioniert einfach nicht.
Ben X ist eine gut gemeinte und technisch auch gut gemachte Mahnung zu einem toleranten Miteinander, jedoch inhaltlich überladen und durch seine Schonungslosigkeit auch schlichtweg anstrengend.
Felix” Flex” Dencker