USA, 2006
Jesse James Hollywod war mit nur 20 Jahren einer der jüngsten kriminellen Flüchtlinge, die je auf der „Top Ten Most Wanted“-Liste des Fbi standen. Regisseur Nick Cassavetes ließ sich für Alpha Dog von der Lebensgeschichte des Drogendealers inspirieren, und schuf ein Coolness-orientiertes Werk, das zwischen Krimi, Coming-of-Age-Drama, Lifestyle-Portrait und Partykomödie oszilliert — eingerahmt von pseudo-dokumentarischen Interviewsequenzen. Klingt nach zuviel auf einmal? Ist es auch.
Die an Jesse James Hollywood angelegte Filmfigur findet sich mit Johnny Truelove (Emile Hirsch), dem wohl erfolgreichsten Drogendealer seiner Altersklasse. Sein florierendes Unternehmen ermöglicht ihm ein schickes Haus mit Pool inklusive weiblichem Zubehör in Bikinis, sowie einen teuren Wagen und eine entsprechend hörige Anhängerschaft, um den neureichen Luxus auch genießen zu können. Störfaktor ist Meth-Junkie Jake (Ben Foster), der nach einem geplatzten Deal immer wieder Aufschub verlangt, seine Schulden zu begleichen. Nach einem Streit beschließt Johnny kurzerhand, Jakes 15jährigen Bruder Zack (Anton Yelchin) zu entführen, um das Geld zu erpressen. Das Problem: Zack fühlt sich in seiner Rolle als Geisel im aufregenden Partyleben von Johnnys Clique überaus wohl und will eigentlich gar nicht mehr nach Hause. Die vermeintlich harmlose Aktion droht jedoch zu eskalieren, als Johnny unter dem Druck der offensichtlichen Konsequenzen auf die Idee kommt, die Geisel „loszuwerden“.
Die Verwirrung, die Regisseur und Drehbuchautor Nick Cassavetes in Alpha Dog gleich auf mehreren Ebenen stiftet, kann anfangs über das zentrale Problem des Films hinweg täuschen: die fehlende Logik. Letztlich existiert keinerlei rationale Motivation, die die Handlung antreibt: Dreh- und Angelpunkt ist eine Geisel, die eigentlich gar keine ist. Und alles was in Folge auf diesem Umstand aufbaut, scheitert am gesunden Menschenverstand und mangelt obendrein an dramaturgischer Rechtfertigung. Handlungsstränge werden einfach vergessen und Fragen gleich reihenweise aufgeworfen, Antworten oder plotinterne Logik hielt Cassavetes dagegen nicht für notwendig. Vielmehr tut er in Alpha Dog alles filmisch Mögliche, um die Tatsache zu verschleiern, dass sein Film eigentlich keinen Sinn ergibt: Er engagierte ein großes, namhaftes Ensemble, packt seine Akteure in coole Rollen und lässt sie coole Dinge sagen, wickelt das Ganze in eine rauhe Optik und lässt seinen Komponisten Aaron Zigman einen atmosphärischen Hip-Hop-Teppich darunter legen. Alles feine Zutaten, jedoch wird kein Kuchen draus, wenn man das Mehl vergisst.
Nichtsdestotrotz finden sich gute Ansätze. Dies ist vor allem Justin Timberlake als Johnnys rechte Hand Frankie zu verdanken: In seiner Rolle manifestiert sich der Wandel von einer harmlosen Entführung zum bitteren Ernst durch seine Freundschaft zu Geisel Zack am deutlichsten. Timberlakes Frankie avanciert so nicht nur zum Sympathieträger, sondern letztlich zur Hauptfigur, als Cassavetes beschließt, den eigentlichen Zwist zwischen Johnny und Jake in der Luft hängen zu lassen. Dabei schlagen sich gerade Emile Hirsch, Ben Foster und auch Shawn Hatosy in der Rolle des willenlosen Handlangers schauspielerisch gut, werden jedoch vom lückenhaften Drehbuch vollkommen im Stich gelassen. Bruce Willis spielt die zwielichtige Rolle als Johnnys Vater mit gewohnter Routine, Sharon Stone wirkt dagegen sehr bemüht, nicht komplett dem Overacting zu verfallen. Der Rest der Besetzung, und dort finden sich immerhin Harry Dean Stanton, Lukas Hass und Dominique Swain, sind nicht mehr als Beiwerk. Im Falle von Olivia Wilde als Johnnys Freundin Angela jedoch ausgesprochen dekoratives.
In Summe schuf Nick Cassavetes mit Alpha Dog einen Film, dessen gute Ansätze sich in sinnfreier Coolness und erzwungen wirkender Dramatik verlieren. Wahre Begebenheit hin oder her, Cassavetes verliert in seiner filmischen Umsetzung den Fokus der Geschichte aus den Augen, was aus Alpha Dog nicht mehr als einen dramaturgisch fehlerhaften Genre-Mix macht.
Christian Simon