USA, 2009 Kinostart: 21.01.2010

Und auf einmal ist er einfach vorbei. Während der Nachspann des neuen Films der Coen-Brüder läuft, liegt eine Frage auf den Lippen der anwesenden Kritiker: Und was ist dann passiert?”

Doch der Reihe nach. A Serious Man erzählt von einer üblen Zeit im Leben des Mathematikprofessors Larry Gopnik. Dessen Leben lief immer in geregelten, vorhersehbaren Bahnen, doch nun droht alles, zusammen zu brechen. Seine Frau will plötzlich die Scheidung, sein Sohn raucht Marijuana, seine Tochter beklaut ihn, sein nichtsnutziger Bruder liegt ihm auf der Tasche, und auch seine Karriere steuert unaufhaltsam auf eine Krise zu. Er sucht Hilfe bei diversen Rabbis, doch die Signale von oben, sei es geistiger Beistand oder auch das Fernsehprogramm, bringen nicht den erhofften Durchblick.

A Serious Man wird für verschiedene Zuschauer verschiedenes bedeuten. Auf der einen Seite ist es ein Einblick in die leise Verzweiflung, die es mitbringt, in den USA der 60er Jahre Jude zu sein. Das Leben nach strengen Regeln, deren Sinn niemand mehr kennt, das Berufen auf Fabeln, die niemand mehr versteht, das Gefangensein in einer sozialen Struktur, die allein darauf abzuzielen scheint, alle Beteiligten unglücklich zu machen. Zeitgleich lässt sich der Film natürlich auch als Plädoyer verstehen, aus eben diesen Ketten zu entfliehen - der Wirbelsturm kommt, ob man nun Sabbat hält oder nicht. Der Film ist durch und durch Coen. Das bedeutet trockenen Humor, alltägliche Abstrusitäten, erstklassige Schauspielführung und natürlich Carter Burwells Musik, auch wenn diese hier oftmals dem 60er-Jahre-Soundtrack den Vorrang lässt. Erst ihr letzter Film, Burn After Reading, ließ ein riesiges, überkomplexes Handlungskonstrukt in ein antiklimaktisches Was soll’s?’ münden. Doch während Burn After Reading dem Zuschauer den Weg mit Actioneinlagen, kuriosen Subplots und aberwitzigen Auftritten diverser Superstars schmackhaft machte, stellen die Coens mit ihrem neuesten Werk die Geduld auch ihrer treuesten Fans ordentlich auf die Probe. Es ist eine moderne Variante der Hiob-Geschichte, und hier wie dort drängt sich die Frage nach dem Sinn auf. Gopnik steckt 100 Minuten lang Enttäuschungen und Ungerechtigkeiten ein, und dann läuft der Abspann.

Vielleicht offenbart die Mär vom Mathematiker, der auf die harte Tour lernt, dass die Welt nicht immer in Formeln zu erklären ist, beim zweiten Ansehen eine Tiefe, die die nicht vorhandene Spannungskurve entschuldigt. Vielleicht braucht es eine weitreichendere Kenntnis des jüdischen Brauchtums, als der Autor dieser Zeilen besitzt. So jedenfalls ist der Film nur überzeugten Coen-Fans zu empfehlen. Dass er neue rekrutieren wird, ist kaum zu erwarten.

Felix Flex” Dencker