USA, 2006

Die hintergründigen Geschichten von Phillip K. Dick zu verfilmen und dabei die Atmosphäre zu bewahren, die seine Werke kennzeichnet, kann nicht leicht sein. Zusätzlich stilistische Experimente zu wagen, erhöht das Risiko, das Publikum zu verlieren. A Scanner Darkly versucht beides, und deshalb scheint es ratsam, den Film 1.) unabhängig von der Vorlage zu betrachten und 2.) sich dabei auf jenes Element zu konzentrieren, dessen Wirkung zweifellos die Grundlage unterschiedlichster Meinungen bilden wird: Der Animationsstil.

Regisseur Richard Linklater brachte das von ihm zuletzt 2001 in Waking Life verwendete Rotoskopie-Verfahren hier erneut zum Einsatz und distanziert sich so von jeglicher etablierter Sf-Optik. Das Resultat ist einfach: Wer der verwendeten Methode nichts abgewinnen kann, der wird auch nicht auf seine Kosten kommen. Wer sich damit - zumindest für zwei Stunden - anzufreunden vermag, wird den Kinobesuch nicht bereuen. Diejenigen, für die Rotoskopie ein Novum darstellt, sollten den Trailer sichten, um sich auf das Bevorstehende einzustimmen.

Dass die Handlung des Films deshalb in diesem Beitrag nahezu ignoriert wird, bedeutet nicht, dass sie keiner Erwähnung wert wäre. Sie ist schlichtweg über jegliche Kritik erhaben. Vielschichtig, abwechslungsreich, intelligent und überraschend. Man muss schon ein echtes Problem mit Dick oder der Thematik (Identitätsverlust in einem korrupten Überwachungsstaat) haben, um davon enttäuscht zu werden. Besonders da die Erzählstruktur einen angenehmen Wechsel von unterhaltsamen und anspruchsvollen Szenen bietet. Auch der brillante Soundtrack von Graham Reynolds und Thom York ist tadellos geraten und präsentiert sich gleichermaßen innovativ wie unaufdringlich.

Zurück zum Animationsstil: Ob es Sinn macht einen Film zu drehen, mit namhaften Schauspielern noch dazu, und danach alles zu übermalen”, kann diskutiert werden. Mir scheint es nutzlos, diese Entscheidung jetzt noch in Frage zu stellen. Das Einzige was zählt, ist ob es funktioniert.

Tut es.

Während beispielsweise viele Animés noch heute dazu neigen, Technik und Details geradezu überlebensecht darzustellen, bei Personen hingegen Minimalismus zu praktizieren, so sind es hier gerade die Protagonisten, die gut zur Geltung kommen.Mit einem bisschen Overacting, vor allem aber dank der vielen kleinen Gesten, die echte, talentierte Darsteller nebenher aus dem Handgelenk schütteln, wirkten die Figuren lebensechter - menschlicher - als in anderen Animationsfilmen. Am deutlichsten merkt man dies bei Robert Downey Jr. und Woody Harrelson, deren Gestik und Mimik herzerfrischend abwechslungsreich geriet. Die Eigenarten ihrer Charaktere kommen ganz offensichtlich den Anforderungen der Umsetzung entgegen. Für die Darstellung des erwartungsgemäß glatten Gespanns Keanu Reeves/Winona Ryder hätten auch normale Zeichnungen gereicht.

Der Verfremdungseffekt, den der Zuschauer durch die Rotoskopie erfährt, vermittelt zudem andeutungsweise den Zustand, in dem sich der Protagonist befinden muss und macht dessen Dilemma für den Betrachter erfahrbar. Die Geschichte über den Undercover-Ermittler Fred” (Keanu Reeves), dessen Wahrnehmung und Realitätsempfinden durch Konsum der gefährlichen Droge D” nachhaltig geschädigt wird, hätte ohne diesen Aspekt vielleicht mit deutlich mehr Effekten ausgestatten werden müssen, um glaubwürdig zu bleiben. Dass man dafür die oft sehr unruhigen Linien in Kauf nehmen muss, welche kontinuierlich in Bewegung und somit recht anstrengend fürs Auge sind, ist zu verschmerzen. Ansonsten funktioniert das angewandte System je nach Einstellung unterschiedlich gut. Mal wirken Gegenstände und Umgebung simpel und platt, manchmal kann man die Elemente kaum von wirklichen Bildern unterscheiden - was allerdings auch daran lag, dass nicht immer alles verarbeitet” wurde.

Somit bleibt A Scanner Darkly unterm Strich ein mutiger, anspruchsvoller Animationsfilm, der definitiv eine Chance verdient. Ob der visuelle Stil allerdings woanders noch Verwendung finden wird, oder sich sogar durchzusetzen vermag, ist eher zweifelhaft.

Tom Maurer