USA, 2011 Kinostart: 03.05.2012

Adam (Joseph Gordon-Levitt) ist 27 Jahre alt, als er aus heiterem Himmel eine Diagnose erhält, die sein bis dato sehr stilles, geordnetes Leben aus den Fugen hebt: Er hat Krebs, noch dazu eine seltene Form. Der Tumor an seinem Rückgrat ist zu groß, um sofort operieren zu können, deshalb bleibt nur ein Weg: Chemotherapie. Als wäre dies nicht bereits Belastung genug, sieht er sich mit der aufdringlichen Hilfe seiner Mutter (Anjelica Huston) und seines besten Freundes Kyle (Seth Rogen) konfrontiert, die beide ihre ganz eigenen Vorstellungen von Fürsorge haben. Sie sind auf ihre Weise von der Situation genauso überfordert wie Adams hübsche, aber neurotische Freundin. Selbst die junge Therapeutin Katherine (Anna Kendrick) kann Adam mangels Erfahrung kaum mehr als Lehrbuch-Floskeln bieten, um den verschiedenen Phasen seiner Krankheit zu begegnen. Keine idealen Voraussetzungen, doch auch kein Grund, die Hoffnung aufzugeben. Wenn Adam ein Casino-Glückspiel wäre, meint Kyle, wären 50/50 die besten Gewinnchancen.

Ein Wort zur Beruhigung vorweg: Es ist in Ordnung, in der ersten halben Stunde nicht vom Geschehen vereinnahmt zu werden. Wer das Thema der Geschichte kennt, verfällt vielleicht im Vorfeld der Erwartung, schnell einen emotionalen Bezug zu Adam aufzubauen, zum Beispiel sofort mit ihm zu fühlen, wenn er die tragische Diagnose erhält. Doch so einfach ist es nicht. 50/50 will ehrlich mit Krankheit und Trauer umgehen, dabei aber nicht depressiv wirken, will Hoffnung und Freude vermitteln, aber nicht verharmlosen. Ein ambitioniertes Ziel, das neben viel Talent auch den Mut erfordert, erzählerisch neue Wege zu beschreiten.

Genau daran mangelt es jedoch zunächst. Die Charaktereinführung nebst generischer Inszenierung der Diagnose-Szene bringt das Dilemma frühzeitig auf den Punkt: 50/50 fehlt die eigene, unverkennbare Stimme, die einen Film wie Hesher - welcher ähnliches versucht - auszeichnet und einzigartig macht. 50/50 möchte ehrlich sein, wagt dabei aber nicht genug, um den Mut erkennen zu lassen, von dem er erzählen möchte. Ob dies dem von einem echten Schicksal inspirierten Drehbuch oder Regisseur Jonathan Levine zuzuschreiben ist, lässt sich schwer ausmachen. Näher liegt die Vermutung, dass sich Levine (All the Boys Love Mandy Lane) mit der Thematik ein wenig verhoben hat.

Gordon-Levitt spielt gewohnt gut, stößt aber ebenfalls an seine Grenzen. Mit ihrer stillen, duldsamen Art gehört seine Rolle zu jenem Typ Protagonisten, den man immer wieder trifft, in Tragikomödien wie A Serious Man oder Selbstfindungs-Filmen wie Garden State. Die einen finden leicht Bezug zum sozialen Masochismus jener blassen Gutmenschen, die anderen wünschen sich einen Protagonisten, der schon für sich genommen Interesse weckt. In diesem Fall fehlt die zündende Idee, die seine sonstigen, durchaus ähnlich gearteten Charaktere (The Lookout, Hesher, Brick) interessant machte.

Letztlich ist es die Kombination aus sympathischen Dialogen, einfühlsamer Geschichte und guter Darsteller, die 50/50 rettet. Mit der Einführung von Anna Kendricks Figur erhält der Film die emotionale Erdung, die der Freundschaft zwischen Adam und Kyle vorerst abgeht. Als auch diese sich zu entwickeln beginnt, springt der Funke endlich über. Kendrick leistet erneut beispielhafte Arbeit, und ist wie schon bei Up in the Air der stille Star des Films. Gordon-Levitt und Rogen machen, was sie am besten können, und festigen ihre Rolle als Aushängeschilder ihrer Generation. Ihr Stil mag bekannt sein, wirkt aber auch natürlich, und rettet den Film somit vor der Belanglosigkeit. Warum? Weil nur auf dieser unprätentiösen Basis der stille Humor des Films funktionieren kann, der aufgesetzte Betroffenheit ebenso meidet wie krampfhaften Optimismus. Viele der Szenen mögen vorhersehbar sein und Individualität und Kreativität vermissen lassen. Die kleinen Momente dazwischen geben aber immer wieder den Glauben an den Film zurück, und bilden in gewisser Weise auch dessen Botschaft ab: Dass der Kampf mit einer Krankheit das Leben nicht automatisch lebenswerter macht, die kleinen Momente aber hingegen schon. Jene Momente, die man in gesunden Zeiten oft übersieht.

50/50 ist ein Film über einen jungen Mann, dem es an Rückgrat mangelt, bis er genau an dieser Stelle tödlich erkrankt. Ein Film über Freundschaft und Miteinander, nicht über den tapferen Kampf eines Einzelnen. Was dem Zuschauer ans Herz wächst, sind die Figuren, nicht deren Schicksal. Und das macht einen ganz entscheidenden Unterschied.

Tom Maurer