“Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und menschliche Dummheit. Beim Universum bin ich mir allerdings nicht ganz sicher.” Getreu diesem wundervollen Ausspruch Albert Einsteins ist es, 28 Wochen nachdem ein von Tierschützern freigesetzter Virus England ausgerottet hat, an der Zeit, der überstanden geglaubten Infektion eine zweite Chance zu geben.
Ein halbes Jahr also nach den Geschehnissen in Danny Boyles 28 Days Later werden 15.000 Engländer unter strengen Quarantänevorschriften ins geisterhaft leere London zurück gebracht, um das Land neu zu bevölkern. Unter ihnen befinden sich auch zwei Kinder, die ein besonderes Geheimnis in sich tragen.
Boyle überließ die Inszenierung der Fortsetzung Juan Carlos Fresnadillo, der 2001 mit Intacto sein Talent für Filme gezeigt hatte, in denen Menschen um ihr Leben rennen. Diese Szenen transportieren erwartungsgemäß auch genau die Panik und das Chaos, die den Terror des Vorgängers so unmittelbar machten. In emotionaler Hinsicht versagt Fresnadillo, der auch am Drehbuch mitschrieb, jedoch komplett.
Die entspannten, zum Teil humorvollen Einsprengsel, die den ersten Teil gelegentlich auflockerten, fehlen völlig, und einige der ruhigen, charakterbildenden Szenen werden mit sinnlosen Schockeffekten vernichtet. Entsprechend schwer fällt es, mit den Figuren mitzufiebern. Die Darsteller, darunter Robert Carlyle, Rose Byrne und Jeremy Renner, spielen ihre Rollen überzeugend, können ihnen jedoch nicht die Tiefe geben, die Cillian Murphy, Brendan Gleeson und Naomie Harris in 28 Days Later brachten, weswegen die emotionale Bindung des Zuschauers auch weitgehend auf der Strecke bleibt.
Zwei Dinge bewahren 28 Weeks Later jedoch davor, zum tumben Splatterspektakel zu werden. Zum einen ist die grundlegende Geschichte überraschend gelungen. Die Idee, eine Fortsetzung zu Danny Boyles Zombieschocker zu drehen, in der im Grunde genommen das selbe noch einmal passiert, ließ nicht gerade auf ein qualitativ hochwertiges Kinoerlebnis hoffen. Doch die irgendwo zwischen Aliens und Land of the Dead angesiedelte Handlung ist durchgehend ordentlich konstruiert. Große Erwartungen an revolutionäre Wendungen oder eine clevere Pointe sollte niemand hegen, doch die Art, wie der Virus ausbricht, ist menschlich, grauenvoll und in ihrer bitteren Ironie perfekt in Szene gesetzt. Ein noch größerer Pluspunkt bildet die Musik. Komponist John Murphy, der das markanteste Stück aus seinem Score zum ersten Teil auch hier einsetzt, hat seine Fertigkeiten in den vergangenen Jahren merklich verfeinert und vermag mit unheilvollen, atmosphärischen Klängen die Hibbeligkeit von Fresnadillos hyperaktiver Kamera zu einem gewissen Teil abzufangen, ohne dabei das Tempo zu verlangsamen. Dadurch erkennt man in den hektisch geschnittenen Actionszenen zwar auch nicht besser, was genau eigentlich gerade passiert, doch es sägt erheblich weniger an den Nerven.
Jede Befürchtung, die Fortsetzung zu Danny Boyles rohem Terrorstreifen werde Dank der Studiofinanzierung nun glatt, poliert und banal werden, verfliegt von der ersten Sekunde an. 28 Weeks Later ist hyperaktiv, blutig und packend. Einen Mangel an Überraschungen und Charaktertiefe muss man in Kauf nehmen, dann steht einem vergnüglich-ekligen Filmabend nichts mehr im Wege.
Felix “Flex” Dencker