Frankreich, 2007 Kinostart: 17.05.2007

Die Stadtneurotiker

Die gebürtige Französin Marion (Julie Delpy) lebt mit ihrem Freund, dem Amerikaner Jack (Adam Goldberg), in New York City. Nach einem gemeinsamen Urlaub in Venedig steht ein zweitägiger Besuch in Marions Heimat Paris an, was für Jack gleich drei katastrophale Umstände mit sich bringt: Eine fremde Kultur, ein unkonventionelles Schwiegerelternpaar in spe und zahlreiche Ex-Freunde Marions, die sich überaus freuen, ihre alte Liebe wieder zu sehen. Zunehmend häufen sich die Probleme zwischen Marion und Jack, was das Paar letztlich in eine handfeste Krise stürzt.

Julie Delpy ist ein Multitalent. Sie schauspielert, komponiert Musik, schreibt Drehbücher und führt Regie. In ihrer zweiten Regiearbeit, 2 Tage Paris, wo sie all ihre Betätigungsfelder unter einen Hut bringt, kombiniert sie zwei sehr beliebte Komödienkonzepte: Culture-Clash und die klassische Beziehungs-Komödie. Auf Klischees wird hierbei keineswegs verzichtet. So hat Jack seine Probleme mit dem sexuell aufgeschlossenen Frankreich und vermutet in jeder U-Bahn einen Terroristen; auch weiß Marions Vater nicht so recht, was er mit diesem tätowierten Kunstbanausen aus Amerika anfangen soll, der natürlich kein Wort Französisch versteht. Doch gelingt es Regisseurin und Autorin Delpy immer wieder, diese Vorurteile humorvoll zu unterwandern und die Klischees aufzubrechen. Es sind ihre unprätentiöse Inszenierung und der unbeschwerte Umgang mit kulturellen Diskrepanzen, die 2 Tage Paris von der Durchschnittskomödie abheben.

Kernstück des Films sind ohne Frage die pointierten Dialoggefechte zwischen den beiden Hauptfiguren, die nicht nur zur Kurzweiligkeit des Films beitragen, sondern im Laufe der spärlichen Handlung die Ansichten und Positionen beider Figuren wunderbar herausarbeiten. Marion und Jack wird die Unterschiedlichkeit ihrer Wesen immer wieder deutlich und schmerzhaft vor Augen geführt, was am Ende nicht nur auf die Beschaffenheit ihrer Beziehung schließen lässt, sondern zwischenmenschliches Verlieben und Entlieben allgemein auf den Punkt bringt. Es gelingt beinahe beiläufig, emotionale Tiefe inmitten einer konventionell anmutenden romantischen Komödie zu erzeugen, ohne dabei Kitsch und Rührseligkeiten zu erliegen.

Formal bemüht sich Delpy um einen dokumentarischen Präsentationsstil: Handkameras verfolgen das Geschehen, Kunstlicht oder Filter sucht man vergeblich. Delpy orientiert sich somit auch in der Form an Before Sunrise und Before Sunset, artverwandten Werken von Richard Linklater, in denen sie ebenfalls in der Hauptrolle zu sehen war. Die erzähltechnischen Methoden der Filme sind ähnlich, nur wirkt 2 Tage Paris wie eine von der Realität eingeholte Fortsetzung dieser einst perfekten Liebesgeschichte: Bissig, unromantisch, mit beiden Füßen fest auf dem Boden der Tatsachen verankert.

Julie Delpys 2 Tage Paris ist eine erfrischend andere Beziehungs-Komödie, die zwar auch mit gewohntem Kultur- und Schwiegereltern-Humor aufwartet, doch darüber hinaus mit unkonventionellem Witz und kleinen Wahrheiten und Absurditäten des zwischenmenschlichen Alltags zu unterhalten weiß. Viel mehr als eine absolute Kinoempfehlung auszusprechen, bleibt da fast nicht übrig.

Christian Simon