Der Verdacht erhärtet sich: Jackie Chan wird erwachsen. Schon der episch angehauchte Vorspann des Films macht deutlich, daß eine neue Ära des Jackie Chan-Films begonnen hat. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht ganz verkneifen, als ich während des Vorspanns an das in die Jahre gekommene Golden Harvest-logo dachte.

Zu Beginn des Films wird Princess Pei Pei (Lucy Liu; Ally McBeal) nach Amerika (genauer: in den Wilden Westen) entführt. Chong Wang (Jackie) sieht es als Mitglied der imperiellen Garde als seine Pflicht an, ihr nachzureisen, um sie zu befreien. Also heftet er sich an eine Gruppe Soldaten, die nach Amerika geschickt wird, um das geforderte Lösegeld zu überbringen. Dort angekommen wird er (natürlich) von der Gruppe getrennt und muß sich erst mit einem Indianerstamm, dann mit dem Amateur-Outlaw Roy O´Bannon (Owen Wilson, The Minus Man) zusammenraufen, der ebenfalls allein unterwegs ist, nachdem ihn seine Gang im wahrsten Sinne des Wortes In der Wüste zurückgelassen hat.

Shanghai Noon legt ein langsameres Tempo vor als Jackie Chans bisherige Filme. Was nicht heißen soll, daß die bewährte Action untergeht. Chans Fans kommen durchaus auf ihre Kosten. Jedoch hat dieser Film eine handfeste Geschichte zu erzählen, die für sich allein schon ihren Reiz hat. Zu gleichen Teilen Abenteuer, Komödie und Western, kann man Shanghai Noon mit Sicherheit als den besten Film bezeichnen, den Chan in den USA bisher gedreht hat.
Natürlich sollte man die anderen Darsteller auch nicht vergessen. Owen Wilson hätte man nach The Minus Man eine so verspielte, offenherzige Rolle wohl nicht zugetraut. Er schafft es aber spielend, dem lakonischen Möchtegern-Revolverhelden genug Herz zu geben, so daß dieser neben Chan bestehen kann.

Lucy Liu überrascht ebenfalls. Nachdem die Ally McBeal-Fangemeinde zu Anfang des Films mit einem etwas aufgesetztem Ling-Blick” zufriedengestellt wird füllt sie die etwas zu seichte Rolle besser aus, als es das Drehbuch eigentlich hergegeben hätte. So wird auch die unberührbare Prinzessin zum Ende hin eine menschliche Frau, mit der man nicht nur deshalb sympathisieren kann, weil der Hauptdarsteller in sie verliebt ist.
Daneben sollte man noch Xander Berkeley (Terminator 2) erwähnen, der den psychopathischen Marshall Nathan Van Cleef (!) fast schon zu cool gibt. Nach viel zu vielen Nebenrollen wünscht man ihm spätestens nach diesem Film, daß er endlich den Sprung zum Hauptdarsteller schafft.
Etwas enttäuschend war höchstens Rong Guang Yu (The Stormriders) als imperielle Wache. Der chinesische Superstar kommt viel zu wenig zur Geltung. Da wäre sicherlich mehr drin gewesen.

Sein wir mal ehrlich: Dieser Film wird wohl kaum der Abräumer der nächsten Oscar-Verleihung. Wenn Ihr aber Euren Spaß haben wollt, seid Ihr hier richtig. Hier kriegt jeder sein Fett weg, nicht nur die Weißen. Es ist einfach ein Riesenspaß mitanzusehen, wie die drei Kulturen aufeinanderprallen.

Felix Dencker