USA, 2007
Originaltitel: Zodiac
Killer-Thriller
“Hier spricht der Zodiac” - mit diesen Worten entfacht ein Serienkiller im Sommer 1969 eine Medienhysterie in den USA. In kryptischen Briefen an drei große kalifornische Tageszeitungen bekennt er sich zu brutalen Morden an jungen Pärchen und droht weitere Taten an. Im Jenseits, so phantasiert er, würden ihm seine Opfer als Sklaven dienen.
David Fincher, der selbst in Kalifornien aufwuchs und als Kind den Zodiac fürchtete, zeigt vier Persönlichkeiten auf ihrer Suche nach der Identität des Killers. Jeder von ihnen will den Zodiac aufspüren - keiner kann dem destruktiven Sog seiner Morde entrinnen.
Der historische Thriller basiert auf den Büchern von Robert Graysmith, damals ein junger Karikaturist beim San Francisco Chronicle. Graysmith ist zugleich auch die Hauptperson des Films, gespielt von Jake Gyllenhaal. Mit der Berichterstattung über Zodiac hat er zunächst nichts zu tun, doch er ist von dessen verschlüsselten Botschaften fasziniert. Um mehr zu erfahren, schaut er seinem ungleich erfahreneren Kollegen Paul Avery (Robert Downey Jr.) über die Schulter. Avery ist ein gestandener Journalist für Kriminalfälle, ein regelrechter Starreporter und unterwegs mit einer hohen Tagesdosis an Zynismus, Alkohol und sonstigen Drogen. Während der exzessive Avery abstürzt, steigert sich Graysmith immer stärker in den Fall hinein. Die Suche nach dem Mörder wird zu seinem persönlichen Rausch.
Mit Sieben hatte Fincher den Serienmord gänzlich der Logik des Kinos unterworfen: Groteske Schreckenstaten kulminieren streng nach Drehbuch, Todsünde für Todsünde, in einem furiosen Finale. Zodiac verlangte eine völlig andere Vorgehensweise. Denn diese Verbrechen sind tatsächlich geschehen, wurden aber niemals aufgeklärt. Auch fast vierzig Jahre nach den ersten Bekennerbriefen kursieren dazu wildeste Spekulationen und Verschwörungstheorien. Selbst die Zahl der Mordopfer ist umstritten. Die Polizei geht offiziell von mindestens sieben Opfern aus, wovon zwei überlebten. Hingegen rühmte sich der Zodiac 1974 in seinem “Exorcist-Letter” mit einem makaberen Punktestand: “Ich = 37, Sfpd = 0”.
Bei ihrer Recherche, die Interviews mit Zeitzeugen und die Durchsicht unzähliger Polizeiakten einschloss, stießen die Filmemacher auf viele Widersprüche. Fincher hat der Versuchung widerstanden, diese in einem gradlinigen Thriller aufzulösen. Zwar will er die von Graysmith vertretene Sichtweise dieser Kriminalgeschichte plausibel machen und liefert dem Zuschauer auch einen Hauptverdächtigen. Statt die Ungereimtheiten zu verschleiern, stellt Fincher sie jedoch gekonnt in den Vordergrund: Ständig treten neue Hinweise zu Tage, während alte wertlos werden und längst verworfene plötzlich wieder gültig erscheinen. Mit dem paranoiden Ergebnis, dass irgendwie jeder der Zodiac sein könnte.
Mit seiner zurückhaltenden aber detaillierten Schilderung der Siebziger Jahre schlägt Fincher den Bogen zwischen historischen und gegenwärtigen Ängsten. Inspirieren ließ er sich von Vorbildern wie All The President’s Men (Die Unbestechlichen): Wie bei der Aufklärung des Watergate-Skandals kommt den Medien auch im Fall Zodiac eine enorm große, allerdings zwiespältigere Rolle zu. Drehbuchautor James Vanderbilt erzählt über einen Autor, der von einem Killer berichtet, der Briefe an Zeitungen schrieb. Diese druckten die Briefe und machten den Zodiac zu einer schauerlichen Legende. Angesichts einer medial verstärkten Furcht vor selbstmörderischen Amoktätern, die sich jeder Justiz entziehen, mag man in dieser nostalgischen Figur des prinzipiell überführbaren Serienmörders sogar noch etwas Tröstliches erkennen.
Der Zodiac-Killer hat seinen Modus Operandi mehrfach variiert, indem er etwa seine Mordwaffe wechselte. Passend dazu spielt Fincher mit verschiedenen Darstellungsformen und blickt auf jeden der gezeigten Morde aus einer ganz eigenen Kameraperspektive. Durch die eindringliche Darstellung der Opfer wirkt insbesondere der visuell eher unblutige Mord am Lake Berryessa sehr drastisch.
Das Duo beim Chronicle sowie diverse Analogien zwischen Sfpd-Inspector Toshi (Mark Ruffalo) und damaligen Filmhelden wie Frank Bullitt oder Dirty Harry sorgen dafür, dass es ansonsten auch mal heiterer wird. Jake Gyllenhaal spielt abermals seinen etwas kauzigen Charme aus, während Downey es sichtlich genießt, mit Sonnenbrille auf der Nase und Fluppe im Mundwinkel trockene Sprüche abzusondern.
Mit einer Laufzeit von rund 157 Minuten, in denen zahllose Fakten erwähnt und Figuren vorgestellt werden, erfordert Zodiac Durchhaltevermögen. Der Film greift unglaublich viele Facetten des Falles auf. Es wird erklärlich, warum angesichts der schwerfälligen Kooperation zwischen den Behörden und der Flut an letztlich unbrauchbaren Zeugenaussagen nie ein Täter dingfest gemacht wurde, während ein unbeirrbarer Zivilist wie Robert Graysmith immerhin eine gute Theorie entwickeln konnte.
Trotzdem bleiben viele Aspekte notgedrungen oberflächlich. Beispielsweise wird die Beziehung von Robert zu Melanie (Chloe Sevigny), die Figur von Toshis zeitweiligem Partner beim Sfpd, Inspector Armstrong (Anthony Edwards), oder auch die Arbeit der Beamten (u.a. Elias Koteas) in den lokalen Polizeirevieren in Vallejo, Napa und Solano nur schlaglichtartig beleuchtet. Angesichts der hochkarätigen Riege der Schauspieler wundert es bisweilen, wie wenig Raum manche Darsteller erhalten.
Zodiac kommt zunächst etwas erschlagend daher und entfaltet erst wesentlich nach dem Seherlebnis seine volle Wirkung. Man bekommt das Gefühl, über dreißig Jahre im Schnelldurchlauf eingesogen zu haben. Wer den etwas sperrigen Stoff nicht scheut und sich auf diese Zeitreise einlässt, wird unweigerlich von der merkwürdigen Faszination des Falles angesteckt.
Heiko “Tico” Titz