Originaltitel: Revolutionary Road
USA, GB, 2008
Kinostart: 15.01.2009
Wie könnte man über Revolutionary Road schreiben, ohne auf Titanic zu kommen? James Camerons Untergangsfilm machte Leonardo DiCaprio und Kate Winslet vor elf Jahren zum Posterpärchen einer Generation von Kinderzimmern. Warum war Titanic so romantisch? Ganz einfach: Der Film zeigte eine Beziehung, die lediglich ein paar Tage lang dauerte. Hätte Rose ihren Jack auch mal auf der Türe schwimmen lassen, hätte er vielleicht überlebt, und die Geschichte wäre so ausgegagen wie die von Frank und April.
Im Conneticut der 1950er Jahre leben die beiden die Stepford-Version des Amerikanischen Traums. April wollte eigentlich Schauspielerin werden, doch nach einem missratenen ersten Theaterauftritt verlor sie ihre Ambitionen aus den Augen. Frank wusste nie so recht, was er vom Leben wollte und arbeitet nun in derselben Firma, die schon aus seinem Vater einen Anzugzombie machte. Beide halten sich an der vagen Vorstellung fest, Intellektuelle zu sein, anders als die anderen. Ihr Leben im geschniegelten Vorort begann als eine Art ironisches Abenteuer, doch nach sieben Jahren ist die vermeintliche Rebellion der gemütlichen Verzweiflung gewichen, mit der sich auch alle anderen in ihre banalen, scheinbar unveränderlichen Rollen fügen.
Als April aus heiterem Himmel vorschlägt, nach Paris zu ziehen, taucht ein Hoffnungsschimmer am Horizont auf. Sie könnte als Sekretärin bei der Uno genug für beide verdienen, und Frank könnte endlich herausfinden, was er mit seinem Leben anfangen will. Das Umfeld der beiden reagiert auf die Neuigkeit mit neidvoller Häme, und für eine Weile scheint die Welt in Ordnung.
Samuel Goldwyn sagte einmal, Glück sei Scharfblick für Gelegenheiten und die Fähigkeit, sie zu nutzen. Kein Wunder, dass eine Idee wie ein Umzug nach Paris für eine Weile glücklich macht, doch die Schwere des Alltags liegt über allem. Regisseur Sam Mendes, der hier das Buch von Richard Yates verfilmt, fängt die erdrückende Agonie ein, mit der so viele Menschen ihr Leben verschwenden, einfach weil es so verdammt bequem ist. Die Thematik erinnert stark an Mendes’ American Beauty, doch die Herangehensweise ist eine völlig andere. Die Darsteller, von Winslet und DiCaprio bis in die kleinsten Nebenrollen (darunter Kathy Bates, ebenfalls Titanic-Alumna), bringen eine Geschichte zu Tage, die von den Worten lebt, die nicht ausgesprochen werden. Gefühle, Entwicklungen, die in den meisten Buchverfilmungen per Voice-Over kommuniziert würden, spielen sich in nuancierten Vorstellungen ab, in der Mimik, in kleinen Gesten. Etwas schade ist lediglich das Ende, das sich ein wenig zieht und auf einen Höhepunkt hinausläuft, der in seiner Dramatik redundant erscheint.
Revolutionary Road ist ein brillanter Einblick in den Kampf, den unsere Träume und Ängste miteinander austragen. Heute stehen uns weit mehr Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung offen als in den 50er Jahren, doch wie viele Menschen setzen ihre Träume tatsächlich in die Tat um? Veränderungen machen Angst, Pragmatismus gehört nun mal zur menschlichen Natur, und ist erst mal der erste Gehaltsscheck eingetroffen, erscheint alles andere zunehmend wie Kinderei.
Und je schwerer es fällt, sich diesen Spiegel vorhalten zu lassen, desto nötiger ist es vermutlich.
Felix “Flex” Dencker