USA, 2008
Kinostart: 03.04.2008

Internet, Du unbekanntes Monster

Ein Gafferstau auf der Landstraße. Zäh schieben sich die Autos auf die Unfallstelle zu, als langsam ein Mann in Sichtweite kommt. Er steht neben einer Leiche und hält ein Schild mit einem riesigen Pfeil, der auf den Toten hinab deutet. Mit einem Megaphon bewaffnet brüllt er den Autofahrern zu: Fahrt weiter, ohne Euch Das Hier anzusehen! Ihr seid Abschaum, nicht Hier Hinsehen!!!”
So in etwa lässt sich das Konzept von Gregory Hoblits Cyberthriller Untraceable umreißen. Wie die meisten Hollywood-Filme, die Sensationsgier und Grausamkeit anprangern, entblödet sich auch Untraceable nicht, mit Folterporno-Exploitation auf Kundenfang zu gehen, während seine Protagonisten eben diese Sensationsmechanismen verurteilen.
Diane Lane spielt die Computerexpertin Jennifer Marsh, die beim Fbi gegen Cyber-Verbrechen vorgeht. Als eines Tages eine Website namens KillWithMe.com ans Netz geht und ein Live-Video von einem Kätzchen zeigt, das in einer Rattenfalle zu Grunde geht, schüttelt die ganze Abteilung betreten den Kopf und wendet sich wieder anderen Dingen zu. Marsh spürt zwar, dass mehr dahinter steckt als Tierquälerei, doch da ihre Vorgesetzten nichts unternehmen, kümmert auch sie sich erstmal wieder um ihre kleine Tochter.
Als die Site eine Woche später erneut zum Leben erwacht, ist es ein Mensch, dem die Besucher beim Sterben zusehen.

Die Sozialkritik kommt nun ins Spiel, indem der Mörder seine Tat von der Zahl der Zuschauer abhängig macht - je mehr zusehen, desto schneller stirbt das Opfer. Natürlich berichten die Nachrichten über den Skandal, natürlich schalten sich Millionen ein und natürlich gibt es weitere Opfer. Vielleicht sollte man von einer Behörde für Computersicherheit, deren Rechner auf Windows Vista laufen, keine übermäßige Kompetenz erwarten, doch die Techno-Babble-Dialoge versuchen eben jene zumindest vorzutäuschen, wenn auch vergeblich. Vielleicht hätte es einen Linux- oder Mac-User gebraucht, um den Zugriff zu der Domain von Providerseite zu sperren und dem Treiben damit schon vor dem Tod des ersten Opfers ein Ende zu bereiten.

Die Produktionswerte sind durchgehend gut. Die Schauspieler reißen sich allesamt keine Beine aus, überzeugen aber auf dem notwendigen Level. Vor allem Diane Lane muss man hoch anrechnen, dass sie glaubhaft mit Begriffen wie Trojanern” und niedrigen TTLs” um sich wirft, obwohl sie davon vermutlich kaum mehr versteht als die Drehbuchautoren.
Regisseur Hoblit bringt den Film fast über die gesamte Laufzeit, ohne eine eigene Handschrift vorzuweisen. Allzu grobe Patzer erlaubt er sich nicht, und im Finale wird es für kurze Zeit sogar richtig spannend, so hirnerweichend das Geschehen auch ist. Zu schade, dass er sich nicht nur moralisch, sondern auch in Sachen Beleuchtung die Saw-Serie zum Vorbild genommen hat, die die Messlatte nicht gerade hoch gelegt hat.

Insofern mein Rat: Nehmt Euch die Moral des Films zu Herzen. Wenn niemand ihn sich ansieht, wird es solchen Schmonsens vielleicht bald nicht mehr geben.

Felix Flex” Dencker