Originaltitel: Evening
USA, 2007
Kinostart: 10.01.2008
Ann Lord (Vannessa Redgrave) liegt im Sterben. In ihren Träumen, die sich immer mehr mit der Realität vermischen, sinniert sie über den Mann ihrer Träume und die verpasste Chance, ihn festgehalten zu haben. Als junge Frau (Claire Danes) besuchte sie 50 Jahre zuvor die Hochzeit ihrer besten Freundin Lila (Marnie Gummer) und bandelte dort sowohl mit Lilas Bruder Buddy (Hugh Dancy) als auch mit dem attraktiven Arzt Harris (Patrick Wilson) an.
Lajos Koltais Verfilmung des gleichnamigen Romans von Susan Minot präsentiert sich als stilsicher inszeniertes Drama, das kaum Schwächen aufweist und doch nur bedingt überzeugen kann. Die Zeitsprünge zwischen der vom Delirium gekennzeichneten Gegenwart der Hauptprotagonistin und deren Erlebnissen rund um die erwähnte Hochzeit Jahrzehnte zuvor wurden zwar elegant eingeflochten, können jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass sich die ständigen Sprünge negativ auf die Stringenz der beiden Handlungsebenen auswirken. So geht es nämlich nicht nur darum, das Liebesdilemma von Ann in all seiner Schönheit und Tragik aufzuarbeiten, um letztendlich die schicksalhafte “Was wäre wenn?”-Frage überhaupt erst stellen zu können. Im Jetzt und Hier, und damit schließt sich der Kreis, stecken auch die beiden Töchter Anns, Nina (Toni Collette) und Constance (Natasha Richardson), in vergleichbaren Lebens- und Beziehungskrisen. Als aufmerksamer Zuseher erkennt man natürlich die Sinnverwandtschaft, wünscht sich aber trotzdem ein ums andere Mal, ein wenig rascher und pointierter ans Ziel geführt zu werden. Der interessanten und durchaus komplexen Dreiecksbeziehung zwischen Ann, Buddy und Harris wird zu wenig Zeit eingeräumt, dafür beansprucht die ausgewachsene Torschlusspanik Lilas - trotz Verwicklungen mit erwähntem Dreigespann - zu viel davon. Auch das konfliktträchtige Mit- und Gegeneinander der Geschwister Nina und Constance wirkt eigenartig unfertig und nicht genügend ausformuliert. Hier hätte Drehbuchautor Michael Cunningham (The Hours), der sich gemeinsam mit Minot für das Skript verantwortlich zeichnet, akzentuierter vorgehen müssen.
Das Ensemble, von Danes über Redgrave in den Haupt- bis hin zu den Grand Dames Glenn Close und Meryl Streep in kleinen aber feinen Nebenrollen, glänzt dafür ohne Ausnahme. Kameramann Gyula Pados (Kontroll) steuert darüber hinaus zahlreiche einprägsame Bilder bei, die von Jan A.P. Kaczmareks traurigem Score gelungen unterlegt werden.
Fazit: Stark gespieltes Ensembledrama, dessen Unentschlossenheit jedoch zur einen oder anderen Länge führt und den Zuschauer seltsam unbefriedigt aus dem Kinosaal entlässt.
Michael “Eminence” Reisner