Originaltitel: The Boat That Rocked
Großbritannien, 2009
“Tatsächlich… echte Musik”
1966 ist die britische Pop- und Rockmusik in aller Munde. Doch die Bbc spielt nur 2 Stunden Rock ‘n’ Roll in der Woche, was dem Piratensender “Radio Rock” ein Publikum von über 25 Millionen Leuten beschert.. Dieser sendet von einem Boot in der Nordsee aus rund um die Uhr das, was die Bevölkerung hören möchte. Die schrägen DJs des Senders, darunter der Amerikaner “The Count”, der pummelige Dave (Nick Frost) und der Egozentriker Gavin werden selbst wie Popstars gefeiert und gehen voll in ihrer Berufung auf. Darüber hinaus ist noch der junge Carl (Tom Sturridge) auf dem Boot zu finden, der von seiner Mutter zu seinem Patenonkel Quentin (Bill Nighy), dem Chef des Senders, geschickt wurde, um Lebenserfahrung zu sammeln. Eine Rechnung, die, soviel sei schon verraten, voll aufgeht.
Der britischen Regierung ist das schamlose Treiben von “Radio Rock” ein Dorn im Auge. Der erzkonservative Minister Dormandy versucht mit allen Mitteln, dem Sender den Garaus zu machen und schreckt selbst vor lebensbedrohlichen Methoden nicht zurück.
Richard Curtis ist hauptsächlich mit seinen Drehbüchern zu zahlreichen britischen Komödienerfolgen bekannt geworden, darunter Vier Hochzeiten und ein Todesfall, Notting Hill und den Bridget-Jones-Filmen. Seine bislang einzige Regiearbeit, Tatsächlich… Liebe, gehört zum charmantesten und süßesten was das RomCom-Genre zu bieten hat und entlässt das Publikum auch nach wiederholtem Sehen mit einem Lächeln auf den Lippen.
Radio Rock Revolution kommt weitgehend unromantisch daher, der Effekt bleibt aber glücklicherweise derselbe: So gut gelaunt und breit grinsend, liebe Leser, seid Ihr bestimmt schon lange nicht mehr aus dem Kinosaal gekommen. Curtis’ zweite Regiearbeit ist Lebensgefühl pur, verfügt über den wohl besten Soundtrack, den ein Film haben kann (u.a. mit The Who, den Rolling Stones, Jimi Hendrix, den Beach Boys und David Bowie) und ein Ensemble der Extraklasse. Sei es Kenneth Brannagh als stocksteifer ministerieller Biedermann, Philip Seymour Hoffman als charismatischer Count, Rhys Ifans als der selbstverliebte Sexoholic Gavin oder auch Tom Brooke, der den völlig unterbelichteten Thick Kevin gibt und damit stellvertretend für die vielen kleinen liebenswerten Nebenfiguren erwähnt sei - wohin man schaut, es herrscht Spielfreude pur.
Überkritische Zeitgenossen mögen die kaum vorhandene Story und den zerfahrenen Handlungsverlauf bekritteln und formal gesehen haben sie sogar recht. Doch Radio Rock Revolution funktioniert praktisch ausschließlich auf emotionaler Ebene und trägt jeden, der sich drauf einlässt, beschwingt von einer amüsanten Episode zur nächsten. Der erwähnt tollen Musik wird dabei oftmals die Erzählarbeit überlassen.
Dass die Lady-Gaga-Klientel damit etwas anzufangen weiß, darf bezweifelt werden. Wer aber auch nur ein wenig Bezug zu den musikalischen Klassikern der Sechziger hat und britischen Humor zu schätzen weiß, darf sich über einen zukünftigen Kultfilm zum Immer-wieder-Ansehen freuen.
Michael “Eminence” Reisner