Deutschland, 2008
Kinostart: 06.03.2008
Mr. Wepper und der Gesang der Zikaden
Der neue Film von Doris Dörrie beginnt mit einem Schicksalsschlag: Trudi (Hannelore Elsner) erfährt, dass ihr Mann Rudi (Elmar Wepper) Krebs im Endstadium hat.
Sie beschließt, ihm diese schreckliche Nachricht zu ersparen und noch eine letzte gemeinsame Reise zu genießen. Das ersehnte Abenteuer Japan kann sie sich allerdings abschminken, das ist Rudi viel zu teuer, und letzten Endes ist der Fuji ja auch nur ein Berg.
Der Besuch bei den Kindern in Berlin ist für die eingesessenen Bayern schon Abenteuer genug, und allzu viel Gegenliebe erhalten die beiden von ihren gestressten Sprösslingen auch nicht. Also geht es weiter zur Erholung an die Ostsee, wo dann unerwartet nicht Rudi, sondern Trudi stirbt. Für Rudi bricht die Welt zusammen.
Durch die Freundin seiner Tochter findet er langsam Zugang zu der Frau, die Trudi war, wenn er nicht hinsah: Die Japanbegeisterte, die so gerne mal zu ihrem Sohn Karl nach Tokio gefahren wäre, die so gerne mal den Fuji und die Kirschblüten gesehen hätte, die Frau, die einmal Butoh-Tänzerin werden wollte. Rudi beschließt, ihr den einen großen Traum, die Reise nach Japan, nun doch noch zu erfüllen.
Kirschblüten - Hanami bietet gleich eine doppelte Portion Culture Clash. Die Zeit in Berlin ist das menschlichste und witzigste Kapitel des Films. Hier kommen Dörries gefühlvolle Charakterzeichnungen voll zum tragen, z.B. wenn die beiden sich mit einem störrischen Fahrkartenautomaten herumschlagen oder Trudi mit der Freundin ihrer Tochter ins Butoh-Theater geht, während Rudi sich am Ausgang die Beine in den Bauch wartet. Wie die Kinder einander den schwarzen Peter zustecken, wer denn nun auf Mama und Papa aufpassen muss, während der Tod ihnen bereits über die Schultern blickt, hat etwas makaberes und dennoch nur allzu vertrautes.
Mit der Reise nach Japan überschreitet allerdings auch der Film seine Halbwertszeit. Dörrie zeichnet ein lebensnahes und in seiner Offenheit auch überraschendes Bild des modernen Japan, jedoch geht der Geschichte im letzten Drittel merklich die Luft aus. Rudi freundet sich mit einer jungen Japanerin an, die ihn am Bahnhof zum richtigen Gleis bringt und ihm zeigt, was es mit dem fremdartigen Butoh-Tanz auf sich hat. Viel mehr passiert allerdings nicht, und der Weg zum unweigerlichen Ende ist ebenso klischeehaft wie lang - ab einem gewissen Punkt wirkt es so, als wolle Dörrie von dieser Welt nicht Abschied nehmen und ließe deshalb die Kameras einfach immer weiter laufen, obwohl die Geschichte längst zu Ende erzählt ist.
Ebenfalls schade ist, dass der billig anmutende Video-Look die vermutlich als umwerfend schön geplanten Bilder, vor allem die der titelgebenden Kirschblüten, völlig zunichte macht. Anstatt den Zuschauer mit einem Meer von leuchtenden Farben zu überschütten, versumpfen die weißen Blüten zusammen mit dem überstrahlenden Himmel zu einem milchigen Brei, der die Frage, warum Trudi sich nach diesem Anblick so sehr gesehnt hat, nicht beantworten kann.
Es ist niemals zu früh und selten zu spät. So wie Elmar Wepper nach einer langen TV-Karriere den überfälligen Schritt auf die große Leinwand macht, so erkennt auch Rudi, dass es eine Welt außerhalb Bayerns gibt und seine Trudi mehr war als eine treusorgende Hausfrau. Das gerät alles etwas sehr bedeutungsschwanger und pathetisch, aber auch durchaus bewegend. Doppelt schade also, dass im letzten Drittel alles auseinander fällt.
Felix “Flex” Dencker