Kinostart 6.9.2007
Wer fand das eigentlich witzig, dem Musical-Haudegen John Travolta die Rolle der Edna Turnblad zu geben? So langsam sollte es doch gut sein mit dieser selbstironischen Demontage eines Grease-Images, an das sich seit Jahrzehnten kein Mensch mehr erinnert und die allerspätestens mit dem schwachen Schnappt-Shorty-Nachklapp Be Cool hätte erledigt sein müssen. Die Grenze jedenfalls ist erreicht, wo Travolta Gefahr läuft, ins Mrs.-Doubtfire-eske abzurutschen - sie verläuft jedenfalls deutlich diesseits von Edna, der Baltimorer 60er-Jahre-Hausfrau und heimlichen Hauptfigur der Musical-Verfilmung Hairspray. Umso mehr erstaunt es, dass Travolta, der die Rolle mit einer komischen Ernsthaftigkeit spielt, es schafft, dieser verklemmten Hausfrau ein Leben einzuhauchen, das die Travestie dahinter vergessen lässt. In Gesten, dem Gangbild, der Sprechweise verschwindet Travolta ganz hinter seiner Edna. Und das getanzte Duett mit Christopher Walken, der
Ednas Ehemann Wilbur spielt, stellt sicherlich einen Höhepunkt unter den nicht wenigen Travolta-Tanzsequenzen dar. Wem da nicht das Herz aufgeht…
Wie überhaupt die ganze Darstellerriege, insbesondere die älteren Semester um den einfühlsamen Walken und Michelle Pfeiffer als zickige Ex-Schönheitskönigin Velma Van Tussle, mit einer Lust am leicht Überzogenen spielen, die einfach Spaß macht. Und die Hauptdarstellerin Nikki Blonsky in ihrem ersten Film-Auftritt erst: Wo Hollywood letztlich gerne zu künstlichen Speckrollen griff, zeigt Blonsky in ansteckender Natürlichkeit ihr Übergewicht.
Gruselig klischeehaft natürlich: Lebensfrohe, tanzende Dicke, niederträchtige Ex-Schönheitsköniginnen - muss wirklich noch etwas zur doch sehr mauen Story erzählt werden? Wohl schon.
Aschenputtel lässt grüßen: In den frühen Sechzigern träumt die mollige Tracy Turnblad (Blonsky) davon, in die Tanzgruppe der hippsten Tv-Show von Baltimore aufgenommen zu werden. Denn trotz ihrer Figur ist sie eine begnadete Bewegungskünstlerin, wie auch bald Moderator Corny Collins (James Mardsen) feststellt, der ihr einen Platz in der Sendung verschafft. Dort steigt sie bald zum Star auf - sehr zum Ärger der eingebildeten Amber van Tussle (Brittany Snow) und ihrer Mutter Velma, die als Chefin des Senders kein Mittel auslässt, ihrer Tochter wieder den Rang zu verschaffen, den sie für angemessen hält.
Natürlich ist auch die Liebe im Spiel, Tracys Mutter mutiert von der Glucke zur Lebedame und harten Managerin, und auch die Rassentrennung wird ausführlich thematisiert: Tracys beste Freundin Penny (Amanda Bynes) verliebt sich in den schwarzen Seaweed (Elijah Kelly), dessen Mutter Motormouth Maybelle (Queen Latifah) als schwarze Tv-Moderatorin unter dem Rassismus des Senders und der Gesellschaft zu leiden hat.
Nun; am Ende tanzen alle gemeinsam - wie in der ersten Auflage des Drehbuchs, das 1988 von John Waters verfilmt wurde, später dann als reinrassiges Musical an den Broadway ging um in dieser Version wiederum nun verfilmt zu werden. Merkwürdig, oder?
Schön hingegen definitiv, dass es endlich mal kein dramatisches Rührstück ist, das sich mit dem Thema der amerikanischen Rassen-Segregation auseinandersetzt. Der Absurdität eines Seils, das den Tanzsaal in zwei Hälften trennt, ist die Form der Komödie eigentlich auch viel angemessener. Abgesehen davon bietet auch die flachste Darstellung - die hier wohlgemerkt lange nicht erreicht ist - stets ein paar Anreize, nachdenklich zu werden. Und die Szenen, die den Schwarzen Protest filmisch umsetzen, insbesondere der von Tracy und Motormouth angeführte Marsch aufs Fernsehstudio, sind tatsächlich gänsehautverdächtige Höhepunkte in einem sonst leicht unterhaltenden Film.
Höhepunkt auch: Der Soundtrack von Marc Shaiman, der bereits für Sister Act komponierte. Hier treffen im schönsten Sixties-Sound pralle Chorstücke auf Solo-Auftritte (natürlich von den Darstellern selbst eingesungen): Von der schmierigen Läster-Ballade der Velma Van Tussle bis zur Schlusshymne ‘You Can’t Stop The Beat’ ist das immer ein Genuss und entgegen aller Erwartung auch über die gesamte Filmdauer gesehen nicht nervig.
Was man wohl so auch über das Gesamtwerk sagen kann: In Erinnerung haften bleibt das Werk nicht mal bis über den Heimweg vom Kino hinaus, aber für gute Laune sorgt es für diese Zeit immerhin ganz sicher. Vor allem ist Regisseur Adam Shankman hoch anzurechnen, dass er beinahe alle Fettnäpfchen, die in der Konzeption des Films - insbesondere in Story und Darstellerriege - so lauerten, souverän umging. Ein bisschen gutgemenschelt wird auch noch, damit sich auch wirklich jeder wohl fühlt, und wenn in der nächsten Version des Stoffes dann auch ein bisschen körperliche Wärme zwischen der traditionell von einem Mann gespielten Edna und ihrem Ehemann Wilbur drin ist, gehe ich durchaus auf ganzer Linie d’accord. Ein bisschen subversiver, das sollte doch drin sein.
Steffen Greiner