Originaltitel: The Curious Case of Benjamin Button
USA, 2008
Kinostart: 29.01.2009
Die Jugend ist verschwendet an die alten Leute
New Orleans, 2005. Hurricane Katrina ist auf dem Weg nach Louisiana, und eine alte Frau liegt auf dem Sterbebett. An ihrer Seite sitzt ihre Tochter, die ihrer Mutter Daisy den letzten Wunsch erfüllt und aus dem Tagebuch eines Mannes liest, dessen Leben sich mit dem Daisys immer wieder kreuzte.
Der Mann hieß Benjamin Button und wurde als alter Mann geboren, am Tag, als der Erste Weltkrieg endete. Seine Mutter starb im Kindbett, sein Vater konnte den Anblick des greisenhaften Babys nicht ertragen, und so setzte er es an der Treppe eines Altersheims aus.
Die Leiterin nahm sich des hässlichen kleinen Jungen an und zog ihn groß wie ihren eigenen Sohn. Im Heim lernte er das Mädchen Daisy kennen und beichtete ihr sein Geheimnis.
Sie war die Liebe seines Lebens, doch sollten Jahrzehnte vergehen, bis sie wirklich zueinander fanden.
Der neue Film von David Fincher basiert lose auf einer Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald, mit der er wenig mehr als den Namen und die Grundidee vom Mann gemeinsam hat, der alt geboren und im Laufe der Zeit immer jünger wird. Inhaltlich gibt es mehr Gemeinsamkeiten mit Forrest Gump: Der außergewöhnliche Junge, der in Louisiana aufwächst und ein Mädchen trifft, das sein Leben verändern wird, dieses aus den Augen verliert, die Welt bereist, als Kriegsheld ins Haus seiner Mutter zurückkehrt und seine große Liebe wiedertrifft. Der Film stammt auch tatsächlich aus der Feder von Gump-Autor Eric Roth, könnte jedoch genau so gut dem verqueren Hirn eines Charlie Kaufman entsprungen sein. Fincher unterstützt diesen Eindruck mit seiner verspielt-düsteren Regie und schafft ein Märchen über zwei Menschen, die zwischen ihrem Schicksal und simplen Zufällen hin und hergeworfen werden.
Ihren märchenhaften Charakter erhält die Geschichte auch durch das dichte Beieinanderliegen von Tragik und Komik. Es ist witzig zu beobachten, wie sehr Benjamins Heranwachsen dem eines normalen Jungen gleicht. Durch seine Arthritis, die erst im Laufe der Jahre nachlässt, muss er das Laufen wie jeder andere erst erlernen, und als sich sein Gehirn mit fortschreitender Jugend zurückbildet, wird er vergesslich als hätte er Altersdemenz. Auf der anderen Seite ist es einfach herzzerreißend, dass er und Daisy nicht gemeinsam alt werden können, obwohl sie füreinander bestimmt sind. Diese Balance gelingt Fincher nicht nur mit Hilfe der tollen Darsteller, sondern auch dank des umwerfenden Produktionsdesigns und nicht zuletzt natürlich der gelungenen Spezialeffekte. Die Reise durch das 20. Jahrhundert, deren nostalgische Note durch das Herannahen des Untergangs von New Orleans subtil unterstützt wird, ist liebevoll realisiert, und sowohl die Effekte als auch Alexandre Deplats stimmungsvolle Musik
unterstützen die Geschichte, anstatt die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wie es in großen Studiofilmen so oft der Fall ist.
Der seltsame Fall des Benjamin Button verdient jeden einzelnen der 13 Oscars, für die er nominiert wurde. Eine skurrile, elegische, humorvolle Meditation über Leben und Tod und auf schöne wie traurige Weise die hoffnungsvollste Liebesgeschichte seit langem.
Felix “Flex” Dencker