Originaltitel: The Last King of Scotland
UK, 2006
Kinostart: 15.03.2007
Schottland, 1970: Auf der Suche nach einem Abenteuer und auf der Flucht vor seinem Leben als Nachfolger in der Praxis seines Vaters verschlägt es den jungen Arzt Nicholas (James MacAvoy) nach Uganda, um in einer Mission auszuhelfen. Als der neue Präsident Idi Amin (Forest Whitaker) bei einer öffentlichen Kundgebung leicht verletzt wird und Nicholas ihn versorgt, offeriert ihm Amin kurzerhand eine Stelle als sein Leibarzt. Anfangs skeptisch, lässt sich Nicholas von der Idee locken, unter Amin ein neues Gesundheitssystem in Uganda aufzubauen.
Nicholas bezieht ein kostspieliges Quartier in der Hauptstadt Kampala und wird von nun an nicht nur vollkommen vom Charme und den Idealen Amins eingenommen, er steigt auch rasch zu dessen engem Vertrauten auf. Begleitet von den andauernden politischen Unruhen im Land wird ihm jedoch zunehmend klar, dass der schöne Schein der freiheitlichen und menschenfreundlichen Politik Amins nur bröckelnde Fassade ist. Doch zu diesem Zeitpunkt ist Nicholas bereits als „weißer Affe“ des Präsidenten in ganz Uganda bekannt.
Kevin Macdonalds Der Letzte König von Schottland erzählt vom Aufstieg und Fall eines jungen, idealistischen Arztes im totalitären Regime Idi Amin Dadas, welches im Laufe der 70er Jahre bis zu 500 000 Menschen in Uganda das Leben kostete. Obwohl sich der Film an historischen Eckpfeilern orientiert, liegt der Fokus nicht auf politischen Fakten oder einer geschichtlichen Nachzeichnung der Ereignisse. Im Vordergrund stehen das persönliche Verhältnis zwischen Nicholas und Amin und die psychologischen Aspekte einer Freundschaft, die sich zunehmend als Gefangenschaft herausstellt. So beginnt Der Letzte König von Schottland durchaus humorvoll und pointiert, streut jedoch inszenatorisch zunehmend die aufkeimende Paranoia Amins in Zwischensequenzen und verwackelten Nachaufnahmen ein. Durch diese wenig subtile, aber effektive Symbolik steigert Regisseur Macdonald sukzessiv die Spannungskurve, die in einer folgenschweren Entscheidung des jungen Arztes gipfelt.
Zentrales Thema ist vordergründig die Vereinnahmung des Individuums durch den totalitären Staat. Durch das persönliche Verhältnis des Protagonisten zur Wurzel des Übels erhält dieses Thema jedoch eine weitere Dimension, die zusätzlich verdeutlicht, wie leicht sich das Gewissen trügen lässt.
Derartige Themen und Figuren bergen immenses Potential für schauspielerische Bestleistungen. Dass Forest Whitaker dieses völlig ausschöpft, honorierte auch die Academy mit einem Oscar als bestem Hauptdarsteller. Whitaker vereint Amins Brutalität und Paranoia, seine öffentliche Wirkung und Größenwahn derart phänomenal, dass selten klar wird, ob es sich bei Amin um einen bewusst kalkulierenden Diktator oder einen naiven Irren handelt. Auch James MacAvoy schlägt sich als ambitionierter Jungarzt erstaunlich gut und zeigt, dass er zu mehr taugt, als zum Faun Tumnus in Narnia. Der Vollständigkeit halber seien auch Gillian Anderson und Kerry Washington erwähnt, die als weibliche Riege in jeweils nur kurzer Zeit ebenfalls zu überzeugen wissen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Kevin Macdonald mit Der Letzte König von Schottland ein fesselndes, unangenehmes Filmerlebnis gelang. Er manifestiert die Unberechenbarkeit und Brutalität eines ganzen Regimes im Niedergang eines Einzelnen, einer verwirrten weißen Ratte, deren Idealismus unter die Räder kam.
Christian Simon