USA, 2010
Kinostart: 22.04.2010

Egoyan-Trip mit Liam Neeson

Die Story der gehörnten Ehefrau ist nicht gerade neu. Die Geschichte der gehörnten Gattin, die mit der Mätresse ihres Mannes rumvögelt, klingt da schon vielversprechender. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Chloe um ein Remake: Das französische Original Nathalie aus dem Jahr 2003 wurde von Regisseurin Anne Fontaine in Szene gesetzt. In beiden Filmen steht im Mittelpunkt ein wohlsituiertes Paar, das sich auf eine Art Ménage à trois einlässt, wobei nur die mitwirkenden Damen um die Dreiecksbeziehung wissen.

In Chloe sind Julianne Moore und Liam Neeson alias Catherine und David das Paar, das scheinbar alles hat: Erfolg, Geld, Gesundheit und einen wohlgeratenen, fast erwachsenen Sohn. David, ein Mann in den besten Jahren, ist Kunstprofessor. Er flirtet vielleicht etwas zu gerne mit seinen Studentinnen und genießt es, wahrgenommen zu werden, aber im Grunde ist er ein netter Kerl. Catherine ist Ärztin und getreue Ehefrau, die sich darum sorgt, ob ihr Mann sie noch wirklich begehrenswert findet. Dieser Zweifel und ein paar Untreue-Indizien lassen sie ihren Mann auf die Probe stellen.

Sie heuert die Edeldirne Chloe (Amanda Seyfried) an, die sich an David heranmachen, aber auf keinen Fall mit ihm Sex haben soll. Doch Chloe übernimmt die Initiative, sowohl in Sachen David als auch damit, Catherine nachzustellen, um ihr bettwarm zu erzählen, wie und wo sie es mit ihrem Gatten getrieben hat. Erst schockiert, beginnt sich Catherine durch das Erleben der Sexphantasien ihres Mannes via Chloe stimuliert zu fühlen. Chloe entwickelt ihrerseits eine sonderbare Fixierung auf Catherine. Zuletzt mündet das in einer ekstatischen Nacht zwischen den Frauen. Catherine bereut das, Chloe ist aber noch lange nicht fertig — weder mit Catherine noch mit den anderen Familienmitgliedern.

Der Streifen ist ausgesprochen gut besetzt. Amanda Seyfried, das Schnuckelchen aus Mamma Mia!, das dort wie eine Nachtigall trällerte und in allen Männern Kindchenschemata aktivierte, beweist, dass sie in der Lage ist, auch unsympathische Figuren darzustellen. Mit einem Namen, der an einen ätzenden Klo-Reiniger erinnert, liefert sie als liebestolle Stalkerin eine äußerst ordentliche Performance ab. Im Prinzip gilt das für alle Darsteller: Innerhalb der Aktionsradien ihrer Filmfiguren ist an ihrer Leistung wenig zu bemängeln. Sobald sich aber die Ebenen berühren, kreuzen und die Schauspieler interagieren müssen, entsteht der Eindruck, dass niemand mehr weiß, was er in der jeweiligen Szene überhaupt zu tun hat. Die Chemie zwischen den Akteuren wirkt nicht stimmig. In schmalspurpsychologischer Manier erscheint die Handlung zudem schreiend konstruiert. Die Wendungen mögen zwar nicht komplett vorhersehbar sein, doch bedarf es reichlich Imaginationskraft, um diese Ereigniskette für halbwegs plausibel zu halten: die Prostituierte, die für einen Treuetest engagiert wird, entpuppt sich als obsessiv veranlagt, frisst einen Narren an ihrer Auftraggeberin und verwandelt” sich bei Zurückweisung in eine heimtückische Stalkerin. Auf der anderen Seite die vernachlässigte Ehefrau, die es mit der Affäre ihres Mannes treibt, um durch sie seine Leidenschaft zu spüren. Da wird einem viel abverlangt.

Insgesamt ist diese konfuse Show nur selten spannend und höchstens stellenweise anregend. Im Niemandsland zwischen Ehedrama, Erotikthriller und Amour-fou-Variation ist das grundlegende Motiv des untreuen Gatten viel zu trivial, um eine fesselnde, atmosphärisch dichte Story zu entwickeln. Vor allem, da Liam Neeson ohne fühlbare Aura eines Schmuddel-Professors viel zu sympathisch rüberkommt. Die folgenden hanebüchenen Verstrickungen kompensieren das dann auch nicht. Ein Film mehr, den kein Mensch wirklich braucht.

Dimitrios Athanassiou