Originaltitel: The Blind Side
USA, 2009
Kinostart: 25.03.2010
Michael Oher redet nicht viel. Der bettelarme, übergewichtige und ungebildete schwarze Jugendliche, von allen “Big Mike” genannt, hat weder ein Dach über dem Kopf noch die Chance auf eine ordentliche Schulausbildung. Als er eines Winters in T-Shirt und kurzen Hosen durch den eisigen Regen stapft, erbarmt sich die wohlhabende Leigh Anne Tuohy und nimmt ihn bei sich und ihrer Familie auf. Während Michael mehr und mehr zu einem Teil der Familie wird, engagiert Leigh Anne sich auch für seine Ausbildung an einer guten, christlichen Schule und entdeckt sein Talent für Football.
Blind Side basiert auf der wahren Geschichte des Football-Spielers Oher, der in der vergangenen Saison sein Debut in der Profiliga gab. Die Geschichte einer gütigen weißen Frau, die einen armen, schwarzen Jungen bei sich aufnimmt, verlangt eigentlich eine Menge Feingefühl, um nicht zu einer Abhandlung über weiße Überlegenheit zu werden. Regisseur und Drehbuchautor John Lee Hancock stört sich nicht daran und inszeniert Leigh Anne als Große Weiße Hoffnung, die mit eiserner Überzeugung die Welt zu einem besseren Ort macht. Der perfide Rassismus, der sich hinter einer Maske der Toleranz versteckt, zeigt sich auch im Fokus des Films. Auf dem Papier ist Michael die Hauptfigur, die sich mit fremder Hilfe aus der Gosse in die Profiliga hoch kämpft. Doch in Blind Side ist er nichts weiter als ein stiller, passiver Tonklumpen, den die resolute Leigh Anne nach Lust und Laune formt. Obwohl alle fünf Minuten irgendwer betont, dass Michael nicht dumm sei, wirklich nicht, scheinen die Macher davon wenig überzeugt gewesen zu sein. Kaum einen Schritt - jedenfalls keinen nach vorn - tut er, ohne dass irgendjemand ihn bei der Hand nimmt. Dies gipfelt in einer Szene, in der der geborene Footballspieler Michael tatenlos auf dem Feld steht, bis Leigh Anne herbeieilt und ihm haarklein verklickert, die Mannschaft sei seine Familie, die er beschützen müsse. Das einzige, was für dieses herablassende Melodram spricht, ist Sandra Bullock. Sie kann zwar die Drehbuchschwächen und die furchtbare Melodramatik des Films nicht immer überspielen (“Du veränderst das Leben dieses Jungen.” - “Nein. Er verändert meins.”), doch die staubtrockene Art, mit der sie ihre Texte aufsagt, sorgt für einige amüsante Passagen.
Der Schluss des Films suggeriert die Adoption schwarzer Kinder durch reiche Weiße als Allheilmittel für die Probleme der Welt. Abgesehen davon, dass die Adoption eines unterprivilegierten Kindes aus der Hoffnung heraus, es werde sich zum Superstar entwickeln, nicht sonderlich altruistisch wäre, scheint der moralische Zeigefinger auch deshalb unaufrichtig, da die anderen Schwarzen, die der Film auffährt, allesamt entweder drogenabhängig oder kriminell sind. Nicht nur Michael, auch Leigh Anne hätte einen ehrlicheren Film verdient.
Felix “Flex” Dencker