So manche Reise, die ein Mensch unternimmt, führt ihn in sein Innerstes. Der Chauffeur Marcos läuft zwar wie ein Schlafwandler durch den Moloch der Großstadt Mexiko, doch in Wirklichkeit befindet er sich auf einem Pilgerzug zur Rettung seiner eigenen Seele. Die wuchtige Materie um Erlösung von Schuld und Suche nach Vergebung bürdet der mexikanische Regisseur Carlos Reygadas transzendenten Bildern, einer rudimentären Geschichte und Amateur-Schauspielern auf. Tragen kann der Film diese Last zwar schon, ohne auf halber Strecke in sich zusammenzubrechen, nur steht dem Publikum dafür eine an der Geduld zehrende Wanderschaft bevor.

Expliziter Sex und plötzliche Gewalt sind die wenigen aufrüttelnden Kontraste zu den ausdruckslosen Gesichtern und unnatürlichen Posen der Schauspieler. Aus dem Mund der Statuengesichter des Hauptdarstellers Marcos Hernández, seiner ebenso unbeteiligt dreinschauenden Frau (Bertha Ruiz) und der Prostiuierten Ana (Anapola Mushkadiz) entfaltet sich eine Handlung mit einschneidenden Momenten, aber wenig Zusammenhang, Emotion oder Spannung. Marcos und seine Frau haben eine missglückte Kindesentführung hinter sich. Marcos ringt mit seinem Gewissen und findet menschlichen — also sexuellen — Trost bei Ana, der eigenwilligen Tochter des Generals, für den er arbeitet.

Für all jene, die das Medien-Echo um Battle in Heaven vernommen haben: Ja, in dieser Beziehung werden Blow-Jobs und hautnahe Bett-Szenen gezeigt, aber, wie eigentlich bei jedem anderen Skandalfilm” der letzten Jahre, in dem Pornografie zu sehen war, dient der Sex keinem erotischen Zweck. (Es fällt trotzdem auf, dass auf dem Filmplakat nur die ansehnliche Anapola Mushkadiz als optischer Anreiz nackt zu sehen ist.)

Das Kopulieren zwischen Ana und dem untersetzten Marcos oder Marcos und seiner Frau ist jedenfalls nicht anregend, sondern ein Akt der Bloßstellung. Zuerst wird das rein Körperliche, Triebhafte des Menschen durch Nahaufnahmen von Geschlechtsteilen preisgegeben, um dann in religiös aufgeladenen Bildern oder ausladenden Kamerafahrten die abgebrochene Brücke zum Spirituellen wiederherzustellen. Durch die Kamera von Diego Martínez Vignatti werden die Häuserschluchten von Mexiko genauso wie die vom Nebel verhangene Natur außerhalb der Stadt zum eigenen Akteur und zur ausgelagerten Seelenlandschaft.

Untermalung der teils nur schönen Bilder und teils gelungenen Konzeptkunst übernehmen Johann Sebastian Bach und Mariachi-Musik. Wirkliche Vollständigkeit erreicht Battle in Heaven jedoch nur in seinen Einzelteilen. Das Ganze überzeugt zwar durch die Größe der Bilder und der tief-menschlichen Themen. Worauf Carlos Reygadas eigentlich hinaus will, bleibt aber diffus. Insbesondere das Ende, das genauso konsterniert wie es irritiert, bringt keine definitive Lösung oder, besser gesagt, Erlösung.

Markus Marv” Grundtner