Originaltitel: Achilles to kame
Japan, 2008
Der kleine Machisu (Reo Yoshioka) hat nur eine einzige große Leidenschaft: das Malen. Sein Vater, ein steinreicher Kunstliebhaber, unterstützt den ständig mit einem Zeichenbrett hantierenden Sohnemann nur allzu gerne, der Weg des talentierten Jungen zum zukünftigen Meister scheint vorprogrammiert. Doch eine Familientragödie ändert die Lebensumstände Machisus grundlegend. Zunächst ist er gezwungen, bei seinem brutalen Onkel zu leben, der als mürrischer Bauer keinerlei Verständnis für die hochtrabenden Träumereien seines Neffen aufbringt. Doch bereits nach kurzer Zeit wird er ins Waisenhaus abgeschoben. Als junger Mann (nun gespielt von Yurei Yanagi) giert Machisu nach Anerkennung, die ihm aber trotz des Besuches einer Kunstschule und zahlreichen Stilwechseln versagt bleibt. Dafür findet er in Sachiko (Kanago Higuchi) die Liebe seines Lebens, die ihm bis ins hohe Alter Rückhalt gibt.
Mit Achilles and the Turtoise beschließt Takeshi Kitano nach Takeshis’ und Glory to the Filmmaker seine selbstreflexive Trilogie über die Kunst. Die Lebensgeschichte eines von unbändiger Leidenschaft getriebenen Malers nutzt er zu einem endgültigen Rundumschlag auf die Kommerzialisierung der Kunst, ohne dabei den Künstler selbst von jeglicher Schuld freizusprechen. Obwohl der Film von einer Vielzahl an tragischen Momenten bestimmt wird, die in ihrer schonungslosen Direktheit immer wieder zu überraschen wissen, ist es insbesondere das letzte Filmdrittel, in dem Kitano höchstselbst in die Rolle Machisus schlüpft, das dem Zuseher mit seinem absurden Humor im Gedächtnis bleibt. Kitano beweist als Regisseur und Drehbuchautor ein untrügliches Gespür für gut plazierte Pointen, während einige der interessanten Nebenfiguren etwas zu kurz kommen. Im Mittelpunkt steht aber ohnehin die Kunst oder vielmehr das abstrahierte Bild eines Künstlers, der zunächst noch einen vergleichsweise kurzen inneren Kampf zwischen Kunst und Kommerz austrägt, bevor er aus der Sucht nach Anerkennung heraus seine schöpferische Identität aufgibt. Dabei vergisst Kitano, der die im Film gezeigten Gemälde selbst malte, weder eine gehörige Portion Selbstironie noch die kritische Auseinandersetzung mit der qualitativen sowie monetären Bewertung von Kunst. Diese wird in Achilles and the Tortoise durch einen Galeristen porträtiert, der über Jahrzehnte hinweg die Werke Machisus ablehnt. Anlass zur Kritik bietet jedoch das zumindest teilweise versöhnliche Ende, das unter Berücksichtigung der bis auf die Spitze getriebenen Aufopferungsbereitschaft Sachikus wenig glaubwürdig wirkt und genau jene Konsequenz vermissen lässt, die den Film bis dorthin auszeichnete.
Nichtsdestotrotz eine sehenswerte Tragikomödie von Takeshi Kitano, der - selbst schon eine Art Kunstfigur - auf humorvolle Art und Weise zeigt, dass Leidenschaft eben auch sehr viel mit Leiden zu tun hat.
Michael “Eminence” Reisner