Im Spiegel sieht sich der Mensch als Ganzes. Sobald das Glas zerbricht, erkennt er in jeder Scherbe eine andere Facette seines Selbst.
Auf diesem Gedanken fußend zeigt Klimt Leben und Wirken des österreichischen Jugendstil-Malers Gustav Klimt in einem Mosaik aus Erinnerungsscherben und Traumsplittern. Hinter zerbrochenen oder magischen Spiegeln materialisiert sich die untergegangene Welt der K.u.k.-Monarchie. Den Rahmen dafür bilden Klimts letzte Atemzüge auf dem Totenbett im Jahre 1918.
Selbst in dieser äußersten Erzählschicht des Films ist die Gefahr groß, verloren zu gehen. In dem Labyrinth liegen dann zusätzlich noch viele weitere Irrgänge verborgen.
Der chilenische Regisseur Raoúl Ruiz zeigt Klimt nicht nur durch sein durcheinander gewürfeltes Leben, sondern auch durch seine Zeit und die kunsttheoretischen, philosophischen sowie literarischen Strömungen, in deren Spannungsfeld er gewirkt hat.
Richtige Charaktere, geschweige denn ausgeformte historische Figuren, treten nicht auf. Selbst John Malkovich bleibt in der Titelrolle distanziert-apathisch, bis er dann und wann in Flüche ausbricht. Sein Verdienst liegt eigentlich nur darin, dass er dem Maler ähnlich sieht.
Erreichen kann Klimt, der Arthur Schnitzlers Traumnovelle auf angenehme Weise viel treuer ist als Eyes Wide Shut, dafür aber einen Tribut an die Wiener Moderne. Kameramann Ricardo Aronovich beschwört die Kunstepoche in magischen Bildkompositionen herauf, die von Klimts Arbeiten inspiriert sind. Geschmälert wird die Atmosphäre durch offensichtliche Budget-Engpässe. Darauf eingestimmt wird man bereits durch die Opening Credits, die in einem Standard-Schriftzug von Microsoft Word gehalten sind.
Klimt irritiert in der 96 Minuten langen Kinofassung mit nicht zu Ende geführten Motiven. Der 130minütige Director´s Cut, der auf dem International Film Festival Rotterdam zu sehen war, punktet dagegen mit einigen eindrucksvollen Momenten und surreal-fantastischen Szenen.
Insgesamt gesehen besteht der Film jedoch überhaupt nur aus Momenten, die sich zu keinem harmonischen Ganzen zusammenfügen. Am Anfang von Klimt zerbirst der Spiegel, beim Zusammensetzen fehlen dann ein paar Teile oder zerbröseln einfach.
Markus “Marv” Grundtner